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Die Reise in die Dunkelheit

Die Reise in die Dunkelheit

Titel: Die Reise in die Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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Selbstmord!«
    Man hörte Terentjew leise fluchen. Im Prinzip teilte Palytsch seine Meinung. Schon mehrfach hatten tollkühne Stalker versucht, die südlichen Vorstädte zu erkunden. Doch sämtliche bewaffneten Expeditionen waren spurlos in den morastigen Brachen am Stadtrand verschwunden.
    »Er hat keine Wahl. Um seinen Sohn zu retten, würde er auch zur Hölle fahren …« Erwartungsvoll horchte der Greis in das Rauschen im Äther. Doch sein Gesprächspartner schwieg. »Willst du nicht ein paar Mann als Unterstützung schicken?«
    Palytsch spürte Stiche in der Brust. Er griff sich ans Herz und setzte sich. Warum zögerte Terentjew? Wieso antwortete er nicht? Oder überlegte er, wie er die Rettungsaktion am besten organisieren soll?
    »Nein.« Tjortys Absage klang wie ein Todesurteil. »Das Risiko ist zu hoch. Ich kann nicht eine ganze Einheit in den Tod schicken, um zwei Leute rauszuhauen. Das ist ein simples Rechenexempel.«
    »Simpel?!«, entrüstete sich der Alte. »Ist dir eigentlich klar, dass …«
    »Absolut!«, unterbrach der Stationsvorsteher der Sennaja . »Ich weiß, was auf dem Spiel steht. Und für mich ist die Situation genauso deprimierend wie für dich . A ber ich kann meine Leute nicht in einem solchen Himmelfahrtskommando verheizen. Taran würde das auch nicht wollen … Entschuldige, ich muss jetzt wirklich Schluss machen. Das Treffen mit den Seeleuten muss vorbereitet werden …«
    Die ferne Stimme verstummte, und es folgte das Besetztzeichen. Mechanisches, seelenloses Tuten. Sollte es das schon gewesen sein? Palytsch knallte den Hörer auf die Gabel und stieß das Telefon zornig beiseite. Der Apparat bimmelte noch kurz, als wollte er sich rechtfertigen.
    »Mit Gottes Hilfe, Taran. Mit Gottes Hilfe …«
    Die rostige Tür klemmte. Es blieb nichts anderes übrig, als den Gewehrlauf in den Spalt zu schieben und als Hebel zu benutzen. Eine barbarische Methode natürlich, aber die Kalaschnikow brauchte er nun sowieso nicht mehr. Bei der bevorstehenden Aktion war schwere Artillerie gefragt …
    Das alte Milizhäuschen war genau der richtige Platz für das Waffenversteck. In all den Jahren war keine einzige Bestie eingedrungen . A uch eine Plünderung durch neugierige Stalker war kaum zu befürchten – die unmittelbare Nähe der Südlichen Sümpfe hatte ein hohes Abschreckungspotenzial.
    Nachdem der Söldner sich durch die Tür gezwängt hatte, entschärfte er vorsichtig die Sprengfalle, die für ungebetene Gäste gedacht war. Dann entfernte er die Spinnweben von einem großen Waffenkoffer und klappte die Schlösser auf.
    Da war es, das Baby, sorgfältig in einen geölten Lappen gewickelt und schussbereit. »Das letzte Argument«, wie sein ehemaliger Zugführer Rebrow zu sagen pflegte.
    Eigentlich war Taran kein großer Freund von Maschinengewehren. In schwierigem Gelände bist du mit so einem schweren Prügel gestraft. Und mit der Zielgenauigkeit ist es auch nicht weit her. Doch in der gegebenen Situation waren Durchschlagskraft und Feuerdichte die entscheidenden Faktoren.
    Der Söldner nahm diePetscheneg heraus, kontrollierte sie penibel auf Roststellen und nickte zufrieden.
    Er wollte gar nicht mehr daran denken, wie schwer er sich das gefährliche Spielzeug erarbeitet hatte. Damals war er durch einen glücklichen Zufall auf eine gepanzerte Fahrzeugkolonne gestoßen, die an der Wolchonskoje-Chaussee nicht weit vom Südlichen Friedhof zurückgelassen und vergessen worden war. Unpraktischerweise war ausgerechnet in jenen Minuten ein Rudel wilder Hunde aufgetaucht und hatte sich neben dem Wrack eines Mannschaftswagens drei Tage auf die Lauer gelegt. Doch der Zweibeiner war der Geduldigere gewesen und für die erlittenen Entbehrungen reich entschädigt worden. Im stählernen Bauch eines der Panzer hatte er nicht nur die völlig intakte Petscheneg gefunden, sondern auch kistenweise Munitionsgurte dazu – in diesen harten Zeiten eine Beute von unschätzbarem Wert. Jetzt konnte der Stalker das todbringende Fundstück dringend brauchen und fuhr den Lohn für seine damalige Beharrlichkeit ein.
    Als Taran das Milizhäuschen verließ, ächzte er unter der Last der schweren Petscheneg und seines bis zum Rand mit Munition gefüllten Rucksacks. Die Tragriemen schnitten schmerzhaft in die Schultern. Selbst an ein einigermaßen flottes Gehtempo war überhaupt nicht zu denken. Doch diese Widrigkeiten wurden durch die erheblich gestärkte Kampfkraft wettgemacht. Jede zusätzliche Patrone erhöhte seine minimalen

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