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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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Bequemlichkeit - wer
hätte das für möglich gehalten! Aber die Fülligkeit steht ihr
nicht, es macht sie ordinär, bald ist überhaupt nichts mehr von
ihrer Schönheit übrig. Sie scheint unserer Mutter auch in diesem
Punkt nachzuschlagen, die war auch so aus dem Leim gegangen, als
sie starb. Ich bin froh, dass Pekka sie nicht so sehen muss, er hat
hübsche Frauen ja sehr geschätzt. Na ja, und auch zunehmend junge,
wie wir haben erfahren müssen. So tun wie die Unschuld vom Lande
und als Gipfel der Unverfrorenheit sich auch noch in dein Vertrauen
einschleichen und mit dir nach Helsinki reisen. Ich konnte es kaum
fassen, als ich es hörte. Obwohl Pekka ein Frauenmann war, glaube
ich nicht, dass er vorher viele Affären gehabt hat. Manchmal hatte
ich so ein Gefühl, dass sich in Düsseldorf etwas abspielte, er fuhr
etwa einmal im Monat hin, um zu sehen, welche Neuheiten es in den
Geschäften auf der Königsallee gab, natürlich, um sie auf der
Stelle auch bei uns einzuführen. Er verstand sich wohl gut
mit der Inhaberin eines Modesalons, er kam
oft angeheitert nach Hause und erzählte, Frau Nieverding habe ihm
einen so köstlichen Rheinwein angeboten, den werde er auch für uns
bestellen. Sicher war es nichts Ernsthaftes, wahrscheinlich auch
nur eine von Pekkas Anbeterinnen, von denen er ja reichlich hatte.
Grundsätzlich war er eine treue Seele, wie du weißt, einmal hat er
mir gesagt, er müsse eine Frau lieben, um sie zu begehren, ohne
Liebe gebe das nichts. Wir waren ja manchmal sehr vertraut
miteinander, das heißt, er öffnete mir im Laufe einer Flasche Wein
sein Herz und vertraute mir seine Gefühle an, meine spielten ja
keine Rolle, das haben sie nie getan.
    Als Pekka tot war, dachte ich, es
ist möglich, dass wir einfach so tun, als wüssten wir von nichts,
obwohl ich das Misstrauen der Kommissare natürlich gespürt habe.
Aber ich war ja auch in einem Ausnahmezustand, ich konnte gar nicht
richtig denken, ich habe mir wirklich eingebildet, nichts zu
wissen. Und ich glaube, dass Emma das bis heute tut. Niemals,
niemals spricht sie von der Pasche, und auch ich werde mich hüten,
den Namen ihr gegenüber in den Mund zu nehmen. Die Zeit nach dem
Mord liegt für mich wie im Nebel, und erst jetzt habe ich langsam
das Gefühl, dass alles wieder klarer wird. Was sollten wir der
Polizei denn auch sagen? Dass er eine Geliebte hatte? Sollte Emma
sich womöglich dem Spott der ganzen Stadt aussetzen oder, noch
schlimmer, dem Mitleid? Und das mit der anderen Tochter? Ich war ja
die Einzige, die es wusste, ich dachte an dich und Emma, an den
Schock, den es noch zusätzlich für euch bedeutet hätte, das wollte
ich nicht verantworten. Was hätte das aufgewühlt, wenn wir alles
gesagt hätten! Was wäre da für schmutzige Wäsche gewaschen worden!
Wer weiß, was das für Kreise gezogen hätte! Hätten wir denn wissen
können, dass es auf andere Weise herauskommt und du dich einfach
auf den Weg nach Helsinki machst, und dazu noch mit dieser Person?
Das Schicksal geht verschlungene Wege, allmählich scheint mir, dass es letzten Endes doch immer nach der
Wahrheit strebt. Ich weiß nun, mein Kind, dass ich mich ihr nicht
entziehen kann, die Schuld drückt auf mich wie ein Felsen. Ich
erzähle dir die ganze Geschichte wahrheitsgemäß und schicke eine
Abschrift davon an die Polizei. Mein Leben ist mir jetzt, wo Pekka
nicht mehr da ist, gleichgültig, ich kann das alles nicht mehr
tragen, ich habe genug getragen im Leben, meinen Kummer, und immer
auch noch den von Emma mit, sie hat ihn mir gerne aufgebürdet,
genau wie Pekka, bei dem ich es allerdings als Ehre empfunden habe,
wenigstens seine Geheimnisse teilt er mit mir, dachte
ich.
    Ich höre Emma vom Kurkonzert
zurückkommen, sie klappert im Nebenzimmer. Was machst du da,
Louise, fragt sie immer, wenn sie mich hier am Tisch findet,
schreibst du etwa deine Memoiren? So ähnlich, habe ich zu ihr
gesagt, man kann sich ja manches von der Seele schreiben. Seele,
Seele, sagt sie dann, auch Dr. Vollberg spricht immer davon. Aber
ich weiß nicht, was das ist, ich habe sie noch nicht gesehen, ein
bisschen Kunst braucht der Mensch, ein bisschen Unterhaltung, einen
spannenden Roman, aber eine Seele, du lieber Himmel. Man macht sich
doch nur verrückt mit dem ganzen Gefühlskram. Das ist der
Unterschied zwischen Emma und mir, dass bei mir die Dinge tief
gehen und ich sehr über alles nachdenke, während sie einfach
vergisst, was sie nicht wissen will. Genau so beschreibt es dieser
Freud,

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