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Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Bärtschi
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Weiß darum herum war nur am Rande zu sehen. Martin wurde einen Augenblick schwindlig und er vermeinte den Boden unter den Füßen zu verlieren. Doch dann hatte er sich wieder fest im Griff und hielt die Schaufel zum Zuschlagen bereit. Doch der Schremp machte keine Anstalten, ihn anzugreifen. Er starrte ihn nur an. Unvermittelt brach er sein Schweigen und sagte mit seiner nasalen Stimme:
    »Du bist immun?« Es lag Erstaunen in seinem Ausdruck, fand Martin.
    »Das weiß ich nicht, aber ich bin vor allem nicht lebensmüde.« Dann hatte er plötzlich eine Idee. Er stand zwischen den beiden Ofentüren, doch der Schremp befand sich direkt vor der rechten Tür. Martin hatte bei den Erklärungen des Mikromechanischen gut aufgepasst und sein technischer Verstand hatte die Funktionen der Maschine verinnerlicht. Mit einer schnellen Bewegung schwang er die Schaufel zum Verschluss der rechten Ofentür und stieß mit dem Schaufelblatt dagegen. Die Tür schwang auf und eine gleißende Flammenzunge lechzte in Richtung des Sechsäugigen. Die Karbonfluxer im Ofen hatten noch ihre volle Kraft und die Hitze, die aus dem Ofen schoss, war unerträglich. Selbst für Martin, der daneben stand. Mit einem Tritt beförderte er die Tür sofort wieder in ihre Verriegelung zurück. Der Schremp war verschwunden.
    Martin rannte zum Durchgang und blickte auf die Plattform. Er atmete auf, als er dort Eliane noch am gleichen Ort stehen sah.
    »Gott sei Dank ist sie noch nicht gesprungen«, dachte er. Doch in diesem Augenblick kippte Eliane wie ein steifes Brett übers Geländer und verschwand in der Tiefe. Entsetzt schaute ihr Martin nach, unfähig sich zu bewegen. Dann erfasste ihn eine ohnmächtige Wut. Wenn noch einmal ein verdammter Schremp auftauchen sollte, er würde ihm ohne zu zögern die Schaufel ins Gesicht schmettern und ihn damit von der Plattform befördern.
    »Verdammte Scheiße«, fluchte er und es war das erste Mal in seinem Leben, dass er dieses Schimpfwort gebrauchte. Dann wich der Schock von ihm und er rannte zurück in den Steuerstand. Vielleicht war noch nicht alles verloren. Eliane war robust, wie der Unfall mit dem Mauerstein gezeigt hatte. Vielleicht überlebten Hybride sogar einen Sturz aus dieser Höhe. Er musste unbedingt die Lokomotive zum Stehen bringen und dann zurückgehen um die Geleise abzusuchen. Wenn es noch eine Hoffnung gab, dann war es diese. Rasch schloss er die Dampfventile und ließ vorsichtshalber etwas Druck ab. Dann drehte er das Bremsrad bis zum Anschlag. Dampf schoss zischend zwischen den Kesseln hoch und die Räder der Lokomotive kreischten. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Maschine endlich zum Stillstand kam.
    Martin stürzte hinaus zur Leiter. Dass er nicht schwindelfrei war, hatte er in diesem Moment vergessen. Rasch hangelte er sich hinunter auf den Boden. Zwischen der Lok und der durchsichtigen Tunnelwand gab es nicht viel Raum, kaum einen halben Meter. Von der anderen Seite schauten ihm drei Fische interessiert zu. Martin beachtete sie nicht. Er drückte sich an der Lokomotive vorbei nach hinten. Die Geleise waren im grünlichen Schimmer des Wassers nur schwer zu erkennen und Martin wäre beinahe gestolpert. Trotzdem rannte er, so schnell er konnte, zurück und hielt dabei Ausschau nach etwas, das wie ein Körper aussah. Wie weit war die Lokomotive nach Elianes Sturz noch gekommen? Mehrere hundert Meter auf jeden Fall, vielleicht auch mehr. Er rannte und stolperte im schwachen Licht, das vom Giftsee in den Tunnel fiel. Eliane war auf der rechten Seite heruntergefallen, also musste sie neben den Geleisen liegen, überlegte er. Der Boden war mit grobem Schotter bedeckt, dunkle, spitze Steine von Faustgröße. Ein Sturz auf diese Unterlage war nicht zu überleben, sagte ihm die Logik, trotzdem rannte er immer weiter.
    Lag dort vorne nicht etwas Dunkles neben den Geleisen? Ein Körper, verrenkte Gliedmaßen, die Scheibe der Tunnelwand daneben voller Blut? Martin keuchte. Er war nie sportlich gewesen und die vielen Stunden, die er mit Tüfteln und Basteln verbrachte, hatten ihm nicht zu einer guten Kondition verholfen. Endlich kam er zu dem dunklen Haufen neben den Geleisen. Doch da lag nicht ein einzelner Körper, sondern zwei ineinander verschlungen. Oder waren es gar drei? Und obendrauf lag tatsächlich Eliane. Sie schien noch ganz und unversehrt. Als er näher trat, sah er, auf welcher Unterlage die junge Frau gelandet war: auf zwei Schremp. Sie hatten offensichtlich den Sturz abgefedert.

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