Die Reise nach Trulala
Standesamt etwas einfallen lassen, und so wurde Diana als Amerikowna in die Geburtsurkunde eingetragen.
Diana, Katzman und ich gingen oft in die Schwimmhalle Moskau, die einzige Badeanstalt unter freiem Himmel mitten in der Hauptstadt. Dort konnte man für dreißig Kopeken Eintritt unbeschwert auf einer Bank am Beckenrand sitzen, Wein trinken und den Menschen zugucken, wie sie sich in dem Brei bewegten. Die Schwimmhalle Moskau war nämlich die schmutzigste Badeanstalt der Stadt. Man konnte alles Mögliche in ihren dunklen Gewässern finden. Sogar Amerikaner - das heißt, wir lernten dort die ersten wahren Amerikaner kennen. Wir saßen friedlich auf der Bank in unseren zerrissenen Klamotten, jeder hatte eine Flasche Rotwein der Marke Kaukasus in der Hand sowie eine Packung Schmelzkäse, der ganz volkstümlich einfach Käse hieß. Mit großem Interesse beobachteten wir die an uns vorbeischwimmenden Gegenstände.
Plötzlich stieg ein Pärchen aus dem Wasser und setzte sich zu uns: eine Frau mit goldblonden Haaren und einem sehr großen Hintern und ein Mann, der etwas unterernährt aussah. Sie stellten sich uns in gebrochenem Russisch als Korrespondenten des CBS vor, die hier in Moskau einen Beitrag über sowjetische Jugendliche machen sollten. Und wir sahen genauso aus, wie sie sich die Moskauer Jugendlichen vorstellten. Ob wir nicht bereit wären, ihnen ein Interview zu geben? Na klar, sagten wir. Es war das Jahr 1985. Wäre einer von uns Student gewesen, hätte er dafür aus seinem Institut fliegen können. Aber wir waren bereits alle freiwillig rausgeflogen und hatten nichts mehr zu verlieren.
Die Amerikaner verschwanden im Umkleideraum. Nach zwanzig Minuten kamen sie wieder und gaben uns fünf Rubel für ein Taxi. »Wir treffen uns dann genau in einer Stunde vor dem Haupteingang des Hotels Intourist«, raunten sie uns verschwörerisch zu und verließen schnell das Gelände. Das klang viel versprechend. Diana meinte vorsichtig, dass amerikanische Journalisten ihrer Meinung nach anders aussähen und außerdem immer ihre Ausweise vorzeigen würden, bevor sie fremde Leute ansprachen. Und schon gar nicht würden sie in das berüchtigte Becken der Badeanstalt Moskau steigen. Sie glaubte, dass es keine ausländischen Journalisten waren, die einen Beitrag über Moskauer Jugendliche machen wollten, sondern einheimische Pädophile, die besagter Jugend an die Wäsche wollten.
»Lass uns das Geld als Geschenk des Himmels betrachten und zwei neue Flaschen Kaukasus dafür kaufen«, schlug Diana Amerikowna vor.
Katzman und ich empfanden jedoch eine gewisse Verantwortung für die Amerikaner und überredeten Diana, doch mit uns zum Hotel Intourist zu fahren, in der Hoffnung, dass unsere neuen Freunde längst das Weite gesucht hätten. Wir kamen viel zu spät. Doch die Amerikaner hielten ihr Versprechen: Beide standen wie vereinbart mit einem Einlassschein für uns vor der Tür. Wir hatten noch nie ein solches Hotel von innen gesehen und schlüpften neugierig an der Wache vorbei hinein. In der Hotellobby befand sich ein kleiner Shop, in dem man für Dollars verschiedene ausländische Produkte kaufen konnte.
»Habt ihr vielleicht Hunger? Wollt ihr etwas essen oder trinken?«, fragte der unterernährte Amerikaner etwas unüberlegt, als er unsere gierigen Blicke sah. Wir wollten natürlich beides. Vor allem hatten wir es auf die Budweiser- Dosen abgesehen sowie die leckeren Süßigkeiten, mit denen der Laden voll gestopft war. Mit zwei Dutzend Büchsen Bier und einer Packung Kekse gingen wir zur Kasse. Gegen das Bier hatte unser Gastgeber nichts einzuwenden, aber die Kekse machten ihn auf einmal missmutig.
»Made in Südafrika!«, sagte er entsetzt und hielt die Packung mit zwei Fingern hoch, als ob es ein Kakerlake wäre. »Kein anständiger Mensch kauft Produkte aus diesem rassistischen Land. Für diese Kekse musste die schwarze Bevölkerung bluten!«, behauptete er.
»Ich würde sie trotzdem gern mal probieren, rein unpolitisch«, erwiderte Katzman.
Wir fuhren alle zusammen in den fünften Stock und kauften dort von dem amerikanischen Geld noch zwei Schachteln finnische Mentholzigaretten der Marke Salem - auch ein Objekt der Begierde damals in Moskau. Zwei Stunden saßen wir dann bei den Amerikanern im Hotelzimmer, unterhielten uns und tranken Bud. Katzman schwärmte von der amerikanischen Kultur, deren Söhne und Töchter wir angeblich wären. Die UdSSR bezeichnete er dagegen als ein Imperium der Dummheit und der Barbarei.
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