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Die Reise nach Trulala

Titel: Die Reise nach Trulala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer Wladimir
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Leichten Herzens fuhren wir weiter um das Schwarze Meer herum. Den Ortsnamen Tepli Saki und die damit verbundene Geschichte vergaß ich.
    Erst vierzehn Jahre später wurde ich in Berlin wieder an diesen Ort erinnert: Von einem Freund namens Martin, der Kunstwissenschaft an der FU studierte und seine Diplomarbeit über das Lebenswerk des großen deutschen Künstlers Josef Beuys schreiben wollte. Martin bereitete gerade seine erste Reise auf die Krim vor, wo er sich auf die Spuren von Beuys begeben wollte. Er fragte mich, ob ich schon einmal in Tepli Saki gewesen wäre und ob ich nicht Lust hätte mitzukommen. Dort, zwischen den verlassenen Salzminen, soll Josef Beuys seine erste künstlerische Offenbarung gehabt haben, erzählte mir Martin.
    Die Geschichte von Beuys' Absturz auf der Krim war mir nicht ganz unbekannt. Im Zweiten Weltkrieg war der Künstler Bordschütze in einem Flugzeug gewesen, das 1944 abgeschossen wurde und auf die Halbinsel stürzte. Der Pilot kam dabei ums Leben, der schwer verletzte Schütze Beuys wurde laut einer von ihm selbst später verbreiteten Legende von der dortigen Bevölkerung freundlich aufgenommen und geheilt. Beuys behauptete, es wären Krimtataren gewesen, die ihm Unterkunft gewährt hätten. Sie wären so etwas wie die Ureinwohner der Halbinsel gewesen und hätten damals dort ein naturverbundenes Leben abseits der Zivilisation geführt. Ihn hatten sie damals so lange mit Fett beschmiert und den Verletzten in Filz gewickelt, bis er irgendwann wieder gesund war.Diese Behandlungsmethode der Ureinwohner wies dem angehenden Künstler den Weg zum Erfolg. Seine Werke bestanden später hauptsächlich aus Fett, Filz, Honig und Ähnlichem. Außerdem engagierte er sich politisch, unter anderem sang er für die grüne Partei tolle Lieder, zum Beispiel »Sonne statt Reagan«.
    Eine Bekannte von mir, auch eine Kunstwissenschaftlerin, stellte einmal die These auf, dass das Flugzeug von Beuys 1944 von Antoine de Saint-Exupery abgeschossen wurde, der etwa zu diesem Zeitpunkt auch mit einem Flugzeug unterwegs war und die Orientierung verloren hatte. Das war natürlich eine gewagte These, die kaum zu beweisen war. Aber allein die Vorstellung, der Autor von »Der kleine Prinz« hätte den Autor von »Das Geheimnis der Knospe zarter Hülle« vom Himmel geholt, faszinierte meine Bekannte für lange Zeit.
    So viel wusste ich also von Beuys. Was ich aber nicht wusste und erst von Martin erfuhr, war, dass Josef Beuys nicht irgendwo auf der Krim, sondern genau bei dem Dorf Tepli Saki abgestürzt war. Die Sitten dort mussten einen Riesenwandel durchgemacht haben, dachte ich: Den Soldaten Fritz Beuys wickelten sie in wertvollen Filz, aber uns vertrieben sie vierzig Jahre später mit der Miliz.
    Ich erzählte Martin von meinen Krimerfahrungen und riet ihm, die Reise lieber sein zu lassen und in den heimischen Archiven nach neuen Informationen zu suchen. »Nichts ist dort so geblieben, wie es einmal war«, erklärte ich ihm. Die Krimtataren waren gleich nach dem Krieg von Stalin nach Sibirien in die Verbannung geschickt worden, weil viele mit den Nazis kollaboriert hatten. Stalins Nachfolger Chruschtschow ließ zehn Jahre später die Halbinsel mit Maisfeldern bedecken. Danach wurde die Insel zum größten Kurort der Sowjetunion ausgebaut.
    »Du wirst dort nichts mehr finden«, versuchte ich, Martin zu überzeugen. »Keine Tataren, keinen Filz, keinen Honig und sicherlich auch keine Spur von Josef Beuys, der sich wahrscheinlich die Geschichte von seiner Rettung sowieso ausgedacht hat.« Martin hörte mir nicht zu, er hatte schon seine eigene Vorstellung von der Krim entwickelt und ließ sich von meinen Argumenten nicht beeinflussen. Im Geiste war er bereits dort - auf einer exotischen Insel, wo die Zeit stehen geblieben war und freundliche Ureinwohner immer noch ein Leben jenseits der Zivilisation führten. Sie würden ihm die geheimen Orte zeigen, den unberührten Fleck, wo die verrostete Maschine von Josef Beuys immer noch eingefettet im Busch lag.
    Auf jeden Fall würde es ihm gelingen, Licht in einen noch nicht ganz aufgeklärten Fall der modernen Kunstgeschichte zu bringen. Welche Spuren hat Beuys auf der Krim hinterlassen? Was ist unter dem alten Eisen vergraben? Nur ein paar leere Patronenhülsen oder womöglich eine Botschaft an der Außenhülle des Flugzeugs in der typischen Beuys'schen Handschrift: »Bin Krim - Josef« oder etwas in der Art? Ein Abenteuer der Extraklasse schwebte Martin vor. Ich hielt

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