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Die Reise nach Trulala

Titel: Die Reise nach Trulala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer Wladimir
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nichts von seinem Projekt. Genauso gut könnte er auf Lesbos nach Spuren von Sappho oder in Ägypten nach dem Wohnsitz von Tutenchamun suchen.
    Ich versuchte mich gerade in Berlin als Journalist und hatte eine ganz andere Reise vor, nach Oberschöneweide. Ein pensionierter PDS-Abgeordneter hatte uns erzählt, wie unheimlich interessant diese Gegend wäre. Ultralinke und Neonazis, schwäbische Unternehmer und arbeitslose Honecker Übersetzer sowie kubanische Gastarbeiter würden dort einträchtig zusammen in einer Kneipe namens Hollywood sitzen und zusammen Bier trinken. Ich war noch nie in Oberschöneweide gewesen. Auf der Krim schon. Das Problem von Martin war, dass er weder Russisch noch Ukrainisch konnte. Auch seine Freundin Anke nicht. Aber sie hofften, mit ihren Englischkenntnissen den notwendigen Kontakt mit der Krimbevölkerung aufnehmen zu können.
    »Dürfte ich dich zur Not anrufen, wenn wir Probleme kriegen«, fragte mich Martin.
    »Jederzeit«, versicherte ich ihm, »aber übertreib es nicht. Mobil zu telefonieren ist auf der Krim bestimmt nicht billig.«
    Wir verabschiedeten uns. Zwei Tage später flogen die beiden jungen Menschen mit Ukrainean Airlines nach Jalta, das so etwas wie eine Hauptstadt der Krim ist. Dort wollte Martin einen Bus mieten und Richtung Tepli Saki zur Absturzstelle von Beuys fahren. Ich blieb als Gruppenkoordinator im sonnigen Berlin und wartete vergeblich auf den Anruf von meinem Freund und Kollegen Helmut Höge, mit dem wir zusammen unseren PDS-Abgeordneten in Oberschöneweide besuchen wollten. Er war aber verschwunden. Unsere längst geplante Reise musste verschoben werden.
    Um acht Uhr morgens klingelte das Telefon. Helmut, dachte ich und ging ran. Es war aber Martin. Er rief mich aus einer Autovermittlung an und fragte, ob fünfhundert Dollar zu viel wären, um einen Minibus für eine Woche zu mieten. Der Chef der Autovermietung wäre sehr nett, könnte aber kaum Englisch. Ob ich nicht die Verhandlungen übernehmen wollte. Ich übernahm das Gespräch und redete mit dem Autovermittler Tacheles.
    »Hallo!«, sagte ich zu ihm.
    »Hallo«, antwortete er.
    »Zwanzig Dollar pro Tag«, meinte ich aufs Geratewohl.
    Der nette Autovermittler sagte sofort zu, seine Stimme klang freundlich, sogar zu freundlich. Wahrscheinlich kostete so ein Bus in Wirklichkeit fünfzig Cents die Woche, dachte ich und sagte laut in den Hörer:
    »Für diesen Preis müssen Sie selbst den Bus fahren, jeden Tag von sieben bis elf, und nüchtern«, fügte ich hinzu.
    »Machen wir gern«, sagte der Kleinbusvermittler. »Ich werde um halb sieben am Hotel sein.«
    Nun hatten meine Freunde einen Bus und einen Fahrer noch dazu. Als Gruppenkoordinator hatte ich mir doch ein wenig Sorgen um die beiden gemacht. Es schien aber alles gut zu laufen. Jetzt drehen sie ein paar Runden auf der Insel, stellen fest, dass ich Recht hatte, und kommen schnell zurück, dachte ich und schlief wieder ein. Der Tag verging im sinnlosen Rummel. Abends rief Martin mich wieder an und erzählte mir fantastische Geschichten: Der Fahrer wäre ein echter Schatz, er hätte sie gleich an den richtigen Ort gefahren, als er nur den Namen Beuys hörte.
    »An welchen richtigen Ort? Wo seid ihr jetzt überhaupt?« Ich verstand Martin nicht.
    »Wir sind an dem richtigen Ort«, wiederholte Martin, »und haben jetzt schrecklichen Durchfall, wahrscheinlich von den Naturprodukten hier.« Seine Stimme klang merkwürdig.»Ich kann nicht lauter reden«, sagte er, »es sind zu viele Menschen hier.«
    »Und was sind das für Menschen?«, fragte ich ihn.
    »Deutschsprachige Tataren«, flüsterte er. Der Absturzort von Beuys wäre ausgeschildert, erzählte er weiter, dort stände ein Pfeil mit einem Schild, auf dem irgendetwas auf Alttatarisch geschrieben wäre. Auf der Erde lägen die Reste von einem deutschen Kampfflugzeug. Fotografieren dürfe man allerdings nur gegen Gebühr, so verlange es der Naturschutz, sagten die Tataren.
    »Wir haben trotzdem ein paar Fotos gemacht und sind nun in einer Pension untergebracht, in einem Dorf, das nicht auf unserer Karte eingezeichnet ist. Die Dorfbewohner sind unglaublich authentisch und nett, alle tragen volkstümliche Kleider aus Filz, und viele sprechen sogar relativ gut Deutsch. Die Dorfbewohner nennen ihre Siedlung Torlala oder Turlala je nachdem. Sie meinen, das heißt auf Alttatarisch so viel wie » Ort der Geborgenheit. Ich habe mit den Leuten in der Kneipe gesprochen«, erzählte mir Martin begeistert.
    Viele,

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