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Die Reise nach Trulala

Titel: Die Reise nach Trulala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer Wladimir
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Martin einige Kontaktadressen von anderen Beuys-Forschern in Deutschland, zeigte ihm mehrere Zeitungsartikel aus der deutschen Presse, die von verschiedenen Beuys-Expeditionen berichteten. Drei davon stammten aus der Frankfurter Allgemeinen, und jedes Mal war der Artikel mit ein und demselben Bild illustriert worden. Auf dem Foto war ein deutscher Wissenschaftler abgebildet, der ein kleines Flugzeug in der Hand hielt. Um ihn herum standen Krimtataren und freuten sich.
    Außer diesen Informationen brachte Martin viele Souvenirs mit: eine Filzjacke für sich, eine für Anke und CDs mit neuer ukrainischer Musik für mich. Unter anderem schenkte er mir eine Platte vom Einsamen Matrosen, einer Punk-Reggae-Band made in Krim. Er wusste, dass ich mich viel mehr für Musik als für Kunstgeschichte interessiere. An mir ist ein Musiker verloren gegangen.
     
    Verlaufen in Dänemark
     
    Obwohl ich als Kind Gitarrenunterricht bekam, einige Noten kannte und sogar mehrere Gitarren besaß, konnte ich kein einziges Lied richtig singen. Deswegen wurde ich oft von meinen begabteren Freunden ausgelacht. Als wir einmal bei einem alternativen Friedensfest im Moskauer Wald mit dem berühmten Pazifistenlied »Nicht schießen« auftraten, schaffte ich es sogar, den ganzen Chor aus dem Tritt zu bringen. Dabei sollte ich eigentlich nur eine einzige Strophe im Refrain mitsingen: »Schieße nicht Soldat, ziehe nicht in die Schlacht« oder so ähnlich - alles im gleichen Tonfall.
    »So schön falsch singen wie du kann sonst keiner«, schüttelten meine Mitsänger mir später die Hand. Ich konnte nichts dafür. Das Falschsingen habe ich von meinem Vater geerbt, der jeden Morgen im Badezimmer übte, bevor er zur Arbeit ging. Er wiederum hatte diese Fähigkeit von seinem Vater, der ebenfalls ein leidenschaftlicher Falschsänger war. Bei vielen Zusammenkünften und Partys sang ich alle möglichen Lieder falsch und laut, und alle schienen Spaß daran zu haben.
    Nur meine Frau nicht. Sie hatte in ihrer Schulzeit eine richtige Musikschule besucht, konnte Klavier spielen und reagierte auf meinen Gesang ziemlich gereizt. Nachdem wir zusammengezogen waren, musste ich irgendwann mit dem Falschsingen aufhören, um das friedliche Zusammenleben in meiner Familie nicht zu gefährden. Meine letzte Gitarre verstaubte im Keller. Zur Sicherheit schraubte meine Frau noch zwei Saiten von dem Instrument ab. Ab da hörte man bei uns am frühen Morgen entweder nur den dicken Pavarotti, den sportlichen Manu Chao oder eine andere Platte, die gerade bei uns angesagt war.
    Mein Freund und Nachbar Andrej dagegen war ein begnadeter Musiker. Er kannte hunderte verschiedener Lieder auf Englisch, Französisch und sogar auf Deutsch auswendig und sah aus wie John Lennon, als der noch für den Frieden gekämpft hatte. Bei seinen Liebesabenteuern und auf seinen vielen Reisen per Anhalter durch Deutschland nutzte Andrej sein Aussehen und seine musikalische Begabung voll aus. Er spekulierte dabei auf den weit verbreiteten Irrtum, dass jemand, der gut sang und Gitarre spielte, zwangsläufig moralisch integer und auch noch halbwegs intelligent sein musste. Jeder Autofahrer nahm gerne einen John Lennon mit, wenn dieser mal wieder nach Leipzig zu seiner Freundin unterwegs war.
    Nur einmal hatte Andrej Pech beim Trampen. Ein älterer Geschäftsmann, der einen weißen Mercedes fuhr, nahm ihn auf der A 6 nach Berlin mit. Während des Gesprächs outete sich der Fahrer als ehemaliger Musiker. Er wäre ein Hippie gewesen, behauptete er und hätte für eine Westberliner Band selbst Lieder geschrieben. Der Alt-Hippie sang einige davon vor und fasste Andrej gleichzeitig und völlig unerwartet an die Eier. Zuerst glaubte mein Freund noch, der Mann wollte nach der Gangschaltung greifen und hätte aus Versehen an der falschen Stelle gesucht. Doch nach dem dritten Mal erlaubte Andrej sich die Bemerkung, er solle gefälligst seine Hände woanders hintun und sich lieber auf die Straße konzentrieren. Diese Äußerung machte alles nur noch schlimmer und brachte den Mann dazu, Andrejs Eier gar nicht mehr loszulassen. Er fuhr dabei immer schneller und sang immer lauter und fröhlicher.
    Der Fahrer benahm sich so merkwürdig, dass mein Freund sich entschied, ihn nicht mehr zu provozieren und auch keinen aktiven Widerstand zu leisten. So fuhren sie bis Berlin. Danach hatte Andrej für eine Weile vom Trampen die Nase voll. Als eine mit uns befreundete Theatergruppe ihn mit nach Schottland nehmen wollte,

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