Die Reise zu den Elfeninseln
Bestattungszeremonien der Menschen. Ein paar Formalitäten, kurze Reminiszenzen an den Verschiedenen und ein paar Lieder. Viel fröhlicher ist sie auch nicht. Die Elfen betrachten das Leben zwar von einem philosophischeren Gesichtspunkt als wir, aber das erleichtert ihnen das Sterben trotzdem nicht.
Das Schiff neigt sich sacht. Wir sind mittlerweile weit nach Süden vorgedrungen, und das Wetter wird besser. Der Regen hat nachgelassen, und die Sonne wärmt die Luft. In der Nacht waren die drei Monde klar und deutlich am Himmel zu sehen.
Der tote Elf ist in ein Leichentuch gehüllt, das Lord Khurds Wappen trägt, ein Symbol aus neun Sternen. Nach der Totenrede tritt ein Sänger vor und intoniert einen klagenden Grabgesang. Seine Stimme ist klar und stark, aber das Lamento ist sehr traurig und verdüstert unsere Stimmung noch mehr. Als das Lied zu Ende ist, bleiben die Elfen schweigend stehen. Ich neige den Kopf und bemühe mich, nicht herumzuzappeln. Schließlich wird der Leichnam über Bord geschoben und versinkt in den Fluten.
Lord Khurd marschiert zackig auf seinen Posten. Die anderen Elfen bleiben noch stehen und reden miteinander. Ich bin schon wieder zu meiner Kabine unterwegs, weil ich vermeiden will, dass Zitzerius oder der Prinz mir einen Vortrag über irgendwas halten oder mir drohen, mir meine Detektiv-Zulassung wegzunehmen.
»Eine sehr unglückliche Familie«, erklärt Makri, als wir die Kabine betreten.
»Was willst du damit sagen?«
»Der tote Elf. Hast du denn die Totenrede nicht gehört?«
»Sie wurde zum größten Teil in Hochelfisch gehalten, und das verstehe ich nicht.«
Makri lässt sich auf die Koje fallen. Sie sieht wirklich elend aus. Ich bin noch nie jemandem begegnet, dem eine Seereise so zu schaffen gemacht hat.
»Ich habe fast alles verstanden«, erklärt sie. »Lord Khurd ist ein sehr guter Redner. Ich werde seine Rede meinem Lehrer in Elfensprache an der Hochschule schildern. Das wird ihm gefallen.«
Ich hole mir ein Bier und ziehe mir die Stiefel aus. »Was meinst du mit unglückliche Familie?«, erkundige ich mich.
»Nun, der eine Elf im Gefängnis und der andere tot. Der Elf, der aus der Takelage gefallen ist, hieß Eos-al-Gipt. Er war Vases-al-Gipts Neffe und Elith-la-Gipts Cousin.«
Ich trinke das Bier aus und ziehe mir die Stiefel wieder an. Ich fühle förmlich, wie eine Ermittlung auf mich zukommt.
»Ihr Cousin. Sieh mal einer an. Eine sehr interessante Information, die mir offenbar niemand auf die Nase binden wollte.«
Bevor ich gehe, bitte ich Makri, niemandem zu sagen, dass sie die Hochelfensprache beherrscht.
»Je weniger Leute wissen, dass du die Königliche Hochelfensprache verstehst, desto besser. So kannst du vielleicht noch einige interessante Einzelheiten in Erfahrung bringen.«
Ich finde Vases-al-Gipt in seiner Kabine. Es ist ein großer Raum, der zugleich als sein Quartier und Behandlungsraum dient. Als ich ankomme, begegnet mir ein lächelnder Elf.
»Der sah ja fröhlich aus. Hast du ihn eben geheilt?«
»Ja. Er litt unter schlechten Träumen.«
»Wie kannst du jemanden von schlechten Träumen kurieren? Nein, schon gut, erzähl mir das beim nächsten Mal. Im Moment bin ich vor allem an anderen Informationen interessiert.«
Vases-al-Gipts Miene verdüstert sich sofort sorgenvoll.
»Thraxas, du weißt, dass ich dir für deine Hilfe sehr dankbar bin, aber …«
»Aber du hast gehört, dass ich bei den Lords, Zauberern und wichtigen Turanianern auf diesem Schiff etwa so angesehen bin wie ein Orgk auf einer Elfenhochzeit. Mach dir darüber keine Sorgen. So was passiert mir ständig. Du hast mich schließlich nicht engagiert, damit ich neue Freunde gewinne. Aber aus welchem Grund hast du mir verschwiegen, dass der verstorbene Elf dein Neffe war?«
»Ist das denn wichtig?«, erkundigt sich Vases sichtlich überrascht.
»Natürlich. Kommt es dir nicht merkwürdig vor, dass der Elf, der zu Tode gestürzt ist, Eliths Cousin ist?«
»Nein. Wo soll denn da eine Verbindung sein?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber vertrau mir. Meine Spürnase lässt mich nicht im Stich. Ich wusste, dass an diesem Unfall etwas merkwürdig war. Warum sollte ein gesunder junger Elf plötzlich aus der Takelage stürzen und sich das Genick brechen? Das ergibt keinen Sinn. Wie oft war er dort oben? Hunderte Male. Ich habe ihn wenige Augenblicke vorher selbst noch gesehen, und er sah nicht aus wie ein Elf, der plötzlich den elementaren Fehler begeht, sich nicht
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