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Die Reise zum Ich

Die Reise zum Ich

Titel: Die Reise zum Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Naranjo
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alt,
    hat Eheprobleme und leidet unter kurzfristigen Angstzuständen.
    »Dr. N. sagt mir, ich solle mir einen Berg vorstellen, was mir
    nicht schwerfällt. . . aber ich kann ihn nicht sehen. Der Berg
    ist nicht da, wie die früheren Bilder, ich habe nur die ›Vor-
    stellung‹ von einem Berg. Und zwar nicht vor mir, sondern in
    mir.
    Ich beschreibe den Berg. Er hat die Form eines stumpfen
    Kegels, ist sehr hoch und von blaugrauer Farbe. Seltsam,
    könnte ich ihn sehen, würde er anders sein als alle Berge, die
    ich kenne.
    Ich werde aufgefordert, den Berg zu besteigen, und ich sehe
    (ich werde jetzt immer ›sehen‹ sagen, obwohl meine erste
    Feststellung weiterhin gilt) eine sehr hohe Leiter und unzählige Menschen, die wie Ameisen alle in einer Reihe an ihr emporklettern.
    Ich beginne zu klettern, und ich tue es nicht auf die übliche
    Weise, sondern an der Seite der Leiter, wobei ich den Holm
    zwischen die Beine nehme und einen Fuß von vorne und den
    anderen von hinten auf die Sprossen setze. Ich fühle den
    Holm zwischen meinen Lenden, was mich an Radfahren
    erinnert. Ich habe keine andere Wahl, hier bin ich, auf einem
    Fahrrad.
    Fort sind Berg, Leiter und Menschen. Ich fahre auf dem
    Fahrrad durch eine Straße mit starkem Verkehr. Ich habe das
    Gefühl, daß ich mich zwischen Menschen und sehr schnell
    fahrenden Fahrzeugen bewege. Es entsteht ein großes
    Durcheinander. Ein rasender Zug taucht auf und saust auf
    einen Tunnel zu. Er fährt durch ihn hindurch und reißt dabei
    das Firstgewölbe ab. So ist der Zug jetzt mit einer Hülle
    bedeckt, wie ein Riesenkäfer; der läuft und läuft und geht
    durch alles hindurch, was ihm in die Quere kommt. Und statt
    über die Brücke zu fahren, saust er unter ihr dahin. Es ist, als
    wollte der wahnsinnige Lokomotivführer durch jedes Loch,
    das er nur entdecken kann.
    Wir aber müssen zum Berg zurück. Die Zeit verläuft jetzt
    wieder normal, das wahnwitzige Gedränge der vorigen Szene
    hat sich gelegt. Es sind jetzt überhaupt keine Menschen da,
    151

    und ich beginne den Berg zu besteigen. Die Leiter ist genau
    so hoch wie der Berg, und als ich nach der letzten Sprosse
    greife, berühre ich den Rand des Berggipfels. Der Rand ist
    sehr bröckelig, also gibt es für mich keine andere Lösung, als
    auf dem Bauch hinüber zu kriechen, wie ein Reptil. Denn der
    Berg ist hohl.
    Ich überlege gerade, wie ich am besten nach unten gelange,
    da tauchen plötzlich seltsame Wesen auf. Sie kommen die
    Wände hochgeklettert. Sie sehen wie Riesenratten aus, haben hervorquellende Augen und Spinnenbeine. Sie blicken mich an und setzen ihren Weg nach oben fort, wo sie am
    Rand entlang wandern.
    Ich liege auf dem Bauch wie ein Wurm und krieche nun
    vorwärts. Ich bin schon ein beträchtliches Stück hinabgelangt. Ich kann nicht widerstehen, noch einmal nach oben zurückzublicken zu der Stelle, durch die ich hineingelangt
    war. Doch da sehe ich mich selbst, wie ich von oben über den
    Rand hineinblicke. Ich steige immer weiter hinunter, da zeigt
    sich mir ein dantesches Bild: Unten am Grund liegt ein Meer
    aus Feuer, umgeben von einem Strand aus weißem Sand, der
    das Feuermeer wie ein Ring umschließt. Der Boden, auf dem
    ich mich jetzt befinde, ist trocken und rauh. Ich weiß nicht,
    wie ich auf den Strand und auf die Beine gekommen bin.
    Ich betrachte den Anblick. Ich staune - ein feuriges Meer.
    Was für ein seltsames Gemisch aus Feuer und Wasser: Das
    Wasser löscht das Feuer nicht, und das Feuer läßt das Wasser
    nicht verdampfen. Die feurigen Wellen, die sich kurz vor
    dem Ufer brechen und es liebkosen, verwandeln sich in kristallklares frisches Wasser.
    Langsam nähere ich mich ihnen. Ich kann den Schaum sehen.
    Ich berühre ihn und gehe ins Wasser. Es ist frisch, erfrischend, sehr erfrischend.
    Ich werde angewiesen, mich dem Feuer zu nähern. Ich habe
    Angst zu verbrennen, obwohl mir etwas in meinem Innern
    sagt, daß ich nicht verbrannt werde. Ich frage mich, warum
    ich mich in diesem Berg befinde. Warum bin ich hier? Zu
    welchem Zweck? Und ich möchte am liebsten umkehren.
    Doch Dr. N. besteht darauf: ›Versuchen Sie, durchs Feuer zu
    gehen. Kommen Sie dabei um. so ist das nur eine Illusion; sie
    könnte sich als lohnend erweisen.‹
    Ich schreite weiter, das Wasser reicht mir jetzt bis zu den
    Hüften. Jetzt komme ich mit dem Feuer in Kontakt. Eine der
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    Wellen berührt, ehe sie bricht, meine Beine, und weit davon
    entfernt, mich zu verbrennen, kitzelt sie mich.

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