Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
Vom Netzwerk:
wußte das nicht, weil ich nie in meinem Leben etwas anderes kennengelernt hatte. Ich war als Sklave zur Welt gekommen, und ich hatte in der Kanzlei des Prokurators gearbeitet, seit ich vierzehn Jahre alt war. Wenn man einen langen Weg unter einer schweren Last dahingewankt ist, empfindet man nicht mehr, wie schwer sie ist, bis man sie endlich absetzt. Ich bin sehr glücklich gewesen, als ich für Euch arbeitete. Habt Ihr das nicht gewußt?«
    Ich hatte ihn nicht für unglücklich gehalten, aber dies wunderte mich doch. Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich erinnere mich nicht, jemals bemerkt zu haben, daß Ihr im Zorn oder Ärger jemanden angeschrien hättet«, sagte er. »Und Ihr seid selbst zu den Menschen höflich, mit denen Ihr Euch streitet. Ihr habt mir alle Freiheit gegeben, die ein freier Mann erwarten würde, und allen Respekt – und den Lohn ebenfalls. Ich würde sehr gern weiter für Euch arbeiten, sehr gern, unter allen Bedingungen.«
    »Gut, wenn du also deine Freiheit willst, kannst du sie haben«, sagte ich. »Du weißt, mein Volk hält keine Sklaven. Kannst du … was muß man tun, um einen Sklaven freizulassen?«
    Er lachte laut, ein Lachen, das in einer Art Schluchzen endete. »Sie kann singen, aber wir sind stumm«, sagte er leise und zitierte Verse mit einer Stimme, die plötzlich rauh war von Triumph und Qual:
    »Ach, wann wird mein Frühling kommen?
    Wann wird sich, wie die Zunge der Schwalbe, mein Zunge erneuern?
    Das Schweigen hat meinen Gesang getötet, und Phoebus verbirgt sich.
    So starb durch sein Schweigen Amyklai, das nicht Alarm gab.
    Wer nie geliebt hat, liebe morgen.
    Liebe morgen, wer früher geliebt hat.
    Ich kann ein Dokument für Euch aufsetzen.«
    Er mußte diese Zeilen früher wohl oft zitiert haben, in den Tagen, als er seinen Vorgesetzten widersprochen hatte und dafür geschlagen worden war. Er hatte die Liebe gesehen, aber sie war an ihm vorbeigegangen, und er hatte nach dem Frühling der Freiheit geschrien, der jetzt kam – zu spät. Ich hatte ein Gefühl, als ob der feste Felsen meiner eigenen Identität schwankte, ich versuchte mir das Unvorstellbare vorzustellen, was aus mir hätte werden können, wenn ich als Sklave zur Welt gekommen wäre. Aber was Eukairios in diesem Augenblick bewegte, konnte kein Außenstehender nachempfinden; es war vermessen, es auch nur zu versuchen.
    »Dann tu das heute nachmittag«, sagte ich. »Aber jetzt müssen wir uns beeilen, sonst werden wir zu spät zum Termin beim Legaten kommen.«
    Wir ließen die Pferde im Stall, was meine Männer ein wenig beruhigte, die aufgeregt waren wie eine Stute, der ihr Fohlen abhanden gekommen war. Wir erschienen pünktlich zu der Besprechung mit Priscus. Ich war erleichtert, daß der Legat auf die Ereignisse der vergangenen Nacht nicht zu sprechen kam, sondern sofort die Vorbereitungen für die Stationierung und Versorgung der erwarteten acht Drachen zu erörtern begann. Wir hatten mehrere Stunden diskutiert und ein paar Briefe geschrieben, als der Sekretär des Legaten meldete, daß Siyavak und Victor wie befohlen zur Stelle seien. Priscus wies ihn an, sie noch einen Augenblick warten zu lassen.
    »Ich möchte den Plan für die Pferdezucht auf ihren Numerus ausdehnen«, erklärte er mir. »Aber ich wünsche nicht, daß in Gegenwart von Siyavak über die erwarteten Truppen und ihre Stationierung gesprochen wird. Es wird einige Zeit dauern, bis die Vierten Sarmaten den Schock über die Meuterei und den Tod ihres früheren Kommandeurs überwunden haben, und es dürfte daher besser sein, wenn sie nicht erfahren, wie viele Sarmaten demnächst in Britannien stationiert sein werden und an welchen Plätzen. Ist das klar?«
    Ich nickte, ziemlich überrascht von dieser Vorsichtsmaßnahme. Natürlich war mir bewußt, daß meine Hinzuziehung zu der Planung ein besonderer Vertrauensbeweis war, aber ich hatte angenommen, daß die Information nicht länger als heikel betrachtet wurde. Offensichtlich hielt Priscus es aber immer noch für zu riskant, sie Siyavak zur Kenntnis zu bringen. Priscus winkte dem Sekretär, die beiden eintreten zu lassen.
    Siyavak sah müde und angespannt aus. Ich hatte den Eindruck, daß er sich freute, mich zu sehen, aber er vermied es, sich mir zu nähern, und nahm am entgegengesetzten Ende des Raumes Platz. Ich mußte unbedingt mit ihm sprechen. Ich hatte keine Ahnung, ob er noch mein Verbündeter war, nachdem er eine so lange Zeit den Überredungskünsten Bodicas ausgesetzt gewesen war. Wir

Weitere Kostenlose Bücher