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Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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nördliche Tinea. Tag für Tag trieben Schäfer ihre Herden durch die Tore, und an Markttagen drängten sich Bauern und Händler mit ihren Karren vor der Zollstelle, um sich mit einer Kupfermünze das Recht zu erkaufen, die Grenze zu überschreiten.
    Außerdem hatte das Fort die Aufgabe, sechs »Meilenkastelle« zu bemannen – kleine Forts, die im Abstand einer römischen Meile entlang dem Wall errichtet waren. Die Meilenkastelle ihrerseits bemannten je drei Wachttürme, auf denen die Posten allerdings nicht viel mehr zu Gesicht bekamen als Schafe, die auf den Hügeln im Norden weideten. Wir schickten unsere Männer für jeweils zehn Tage in die Meilenkastelle, die Schwadronen lösten sich dabei turnusmäßig ab.
    Diejenigen Schwadronen, die keinen Wachdienst hatten, wurden zu Arbeiten im Lager eingeteilt – allerdings nahmen diese im allgemeinen nicht viel Zeit in Anspruch, nachdem inzwischen der Bau der Palisaden um unser Lager und das Ausheben der Latrinen beendet waren. Ich schlug Facilis und Comittus vor, eine Anzahl Schafe und Rinder für den Eigenbedarf zu kaufen; sie könnten uns nicht nur mit Milch, Fleisch und Wolle versorgen, sondern den Männern auch mehr zu tun geben. Aber man erklärte mir, römischen Soldaten sei es nicht gestattet, Vieh zu halten oder Land zu bebauen, denn man befürchte, sie könnten sich zu weit entfernen und außerhalb des Forts leben. Statt dessen mußte man Arbeit für sie erfinden – Gefechtsausbildung, Zusatzpatrouillen, Wettkämpfe. Es kam mir lächerlich vor, aber ich mußte mitmachen, und wenn nur, um meine Leute davon abhalten, sich mit den Asturiern anzulegen.
    Wenn es meinen Leuten an Beschäftigung fehlte, mir jedenfalls nicht, und die Streitereien mit den Asturiern zu schlichten, war meine Hauptarbeit. Die Asturier, so schätzten meine Männer, eigneten sich perfekt als Gegner im Zweikampf, viel besser als Gatalas’ Männer. Ihre Speere waren kürzer, sie konnten nicht ordentlich schießen, sie trugen keine annähernd so gute Rüstung, und sie waren nicht so geschickt im Reiten wie wir – mit einem Wort, sie waren Gegner, die man ohne große Mühe schlagen konnte. Schon bald fingen meine Leute an, zu sticheln und sich aufzuspielen, wenn sie die armen Asturier nur zu Gesicht bekamen. Es war erstaunlich, wie wenig Latein sie brauchten, um einen Streit zu provozieren. Und es gab, wie ich vorausgesehen hatte, Probleme mit Alkohol und Frauen. Immerhin, es hätte schlimmer sein können. Die Asturier waren so ungeschickt, daß niemand auf die Idee kam, sie zu töten. Aber ich mußte ständig auf der Hut sein, um auch nur einigermaßen Frieden zwischen den beiden Einheiten zu bewahren. Longus verstand sich darauf besser als ich. Trotz seines melancholischen Aussehens hatte er einen ausgeprägten Sinn für Humor. Er konnte mit gleichgültiger Stimme und ohne das Gesicht zu verziehen, Witze erzählen, über die seine Zuhörer brüllend lachten. Wenn ich mit einer Streiterei konfrontiert wurde, konnte ich nur Befehle geben oder mit Argumenten zu schlichten versuchen. Wenn er in einem solchen Fall rechtzeitig zur Stelle war, löste sich das Ganze in Gelächter auf. Er hegte keinen Groll gegen mich, weil ich ihn bei unserer ersten Begegnung vom Pferd gestoßen hatte – ganz im Gegenteil wurde dieser Zwischenfall eine seiner Lieblingsgeschichten: »Das nächste, was ich wußte, ich war wie ein Klotz vom Rücken meiner Stute gefallen, und Ariantes haut den Speer, mit dem er das getan hat, direkt neben meinen Hals, wumm! Und er sieht an seinem Schwert entlang auf mich, als ob er überlegt, welches Stück von mir er zuerst abhacken soll. Ich glaubte, mein letztes Stündlein wäre gekommen. O Götter und Göttinnen, dachte ich bei mir, helft mir aus diesem Schlamassel heraus, und ich werde nie wieder ein Wort gegen Wagen sagen, so wahr mit Epona helfe, die Göttin der Pferde. Und dann sagte er, ganz ruhig und sanft: ›Ihr solltet uns nicht beleidigen‹, und glaubt mir, ich konnte ihm nur aus ganzem Herzen beipflichten. Ich hätte zur Bestätigung gern genickt, etwa so, aber da ist dieses Schwert an meiner Kehle, und ich habe aus Angst, ein Nicken könnte Konsequenzen haben, wenn ihr versteht, was ich meine …«
    Ich lernte Longus sehr rasch schätzen. Eigentlich mochte ich alle Männer, mit denen ich in Cilurnum zu tun hatte, Facilis ausgenommen, und selbst er suchte nicht länger Streit mit mir. Comittus war mir von Anfang an freundlich entgegengekommen, und als er sich

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