Die Reiter der Sarmaten
beruhigen. Wenn sie dies in den Tavernen hören, Longus, dann werden sie auf Eure Männer losgehen, und es wird ein Blutbad geben. Ich muß den Drachen zusammenrufen und noch heute abend zu ihm sprechen. Morgen früh können wir Marha opfern, und die Weissager werden die Ruten lesen. Und wir werden für die Seelen unserer Freunde beten. Danach werden die Männer ruhiger sein, und sie werden nichts Törichtes unternehmen.«
Die drei Römer schwiegen lange. Dann sagte Longus: »Wir hatten nicht die Absicht, die Depeschen heute abend zu lesen nicht wahr, Comittus?«
»Nein«, bestätigte Comittus. »Nein – wir haben einen anstrengenden Tag hinter uns, und es ist spät geworden. Wir werden noch ein paar Becher Wein trinken und dann zu Bett gehen.«
»Und morgen früh können wir sie auch nicht gleich öffnen«, nahm wieder Longus das Wort. »Wenn Ihr eine Opferfeier abhaltet, um die Götter zu verehren, sollten wir das natürlich auch tun. Die Depeschen können bis zur Mittagszeit warten.«
Ich sah Facilis an.
»Sollen die Götter diese Depeschen vernichten!« sagte er. »Ich werde sie heute abend sicher nicht lesen. Ich gehe gleich zu Bett.«
»Ich danke Euch allen«, sagte ich erleichtert. Dann nahm ich meinen Mantel und eilte in die feuchte, kalte Nacht hinaus, um meine Männer zu versammeln.
Sie hörten die Nachricht mit einem Aufschrei des Entsetzens und mit Jammern und Klagen, nachdem die Trommeln sie aus dem Badehaus, den Tavernen und Bordellen von Cilurnum zusammengeholt hatten. Aber es gab keine zornigen und ärgerlichen Rufe, und das Versprechen, am Morgen den Göttern zu opfern und alles ihrem Willen anheimzustellen, beruhigte sie. Als sie auseinandergingen, erinnerten sie sich gegenseitig daran, daß die Weissagungsruten Gatalas den Tod in der Schlacht verheißen, aber ihnen selbst und Gatalas’ Drachen Glück prophezeit hatten. Ich bemerkte während der Nacht, daß die Asturier eine Wache auf den Mauern des Forts aufgestellt hatten, von wo sie unsere Wagen beobachten konnten aber so unauffällig, daß es niemanden beleidigen konnte.
Wir wurden vor Tagesanbruch durch Geschmetter von Trompeten im Fort geweckt, die das Signal zum Alarm gaben. Ich stürzte aus meinem Wagen, schnappte mir das nächste Pferd, und ohne mich damit aufzuhalten, es zu satteln, galoppierte ich wie wild zum Tor, leise vor mich hin fluchend. Ich war überzeugt, die Römer hätten sich schließlich doch entschieden, die Depeschen zu lesen, und ich befürchtete die schlimmsten Folgen. Aber als ich das Westtor erreichte, kam ein Bote von Comittus herausgesprengt. »Fürst Ariantes!« rief er, wild mit den Armen fuchtelnd, so daß mein Pferd sich aufbäumte und die Ohren zurücklegte. »Fürst Ariantes, der Tribun bittet Euch, sofort zu ihm zu kommen, nachdem Ihr dem Numerus das Signal zum Alarm gegeben habt. Die Barbaren haben den Wall überschritten!«
Es dauerte länger als sonst, meine Männer zu alarmieren. Ich wollte absolut sicher sein, daß es kein Mißverständnis gab – daß ihnen klar war, es ging nicht gegen die Asturier, sondern gegen feindliche kaledonische Stammeskrieger. Als ich schließlich das Stabsquartier erreichte, brannten alle Lampen, und die Männer im Fort waren dabei, ihre Rüstungen anzulegen und ihre Pferde zu satteln. Comittus, Longus und Facilis befanden sich im inneren Stabsraum am westlichen Ende der Haupthalle, auf dem Tisch war eine Karte ausgebreitet. Sie waren gerüstet und bewaffnet, die drei Helme hielten die Ecken der Karte fest.
»Warum seid Ihr noch nicht bewaffnet?« knurrte Facilis.
»Ich mußte meinen Männern als erstes klarmachen, gegen wen sie kämpfen werden«, antwortete ich. »Was ist geschehen?«
»Starke kaledonische Kräfte sind über den Wall gekommen«, sagte Comittus. Er war blaß, und seine Augen waren zu glänzend. »Ich weiß nicht genau, wie stark. Sie müssen einige Posten ermordet haben, irgendwo, ich weiß nicht wo – ich denke, es ist wahrscheinlich hier«, er stieß den Finger auf die Karte, »zwischen uns und Onnum. Das Signalfeuer wurde zuerst auf dem Signalturm westlich von uns angezündet, zwei Feuer zum Zeichen, daß der Feind nahe ist. Und vor wenigen Minuten kam ein Bauer, dessen Hof ein paar Meilen westlich von uns ist zum Tor galoppiert und berichtete, daß Tausende von Barbaren in Richtung Corstopitum marschieren. Beritten, sagte er, er war sicher, sie hatten Pferde. Von Onnum aus werden sie sie niemals erreichen, selbst wenn sie alarmiert worden
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