Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
Vom Netzwerk:
Als ich das nächste Mal aufwachte, war es heller, und ich fühlte mich weniger schlecht. Auch jetzt war der Geruch von Feuer da. Ich lag auf der Seite und schaute auf eine Mauer. Nach einiger Zeit streckte ich die Hand dahin aus und fühlte, daß sie aus Stein war. Da wußte ich, daß ich tot war und in meinem Grab lag. Ich blieb lange ruhig liegen und dachte darüber nach, ohne Kummer oder Schmerz zu empfinden. Seltsamerweise überraschte es mich nicht, aber ich konnte mich nicht erinnern, wie ich gestorben war.
    Nach einer Weile jedoch fiel mir plötzlich ein, ich könnte, wenn ich tot war, vielleicht Tirgatao finden. Ich zog mich mühsam hoch, stützte mich auf Knie und Hände ab und sah umher. Die Steinmauern schlossen mich ringsum ein, aber zu meiner Linken war ein Herd, und unter dem Rost war rote Glut zu sehen. Der Fußboden aus gestampftem Lehm war mit getrocknetem Adlerfarn bedeckt, und von der Decke hingen Kräuter und getrocknetes Fleisch. Ich setzte mich auf die Hacken zurück. Ich war auf einer Art Bett, hatte eine Wolldecke über mir, aber alle meine Kleider fehlten. Ich zog die Decke um meine Schultern und stand auf. Meine Knie waren weich, und mein krankes Bein gab fast unter dem Gewicht meines Körpers nach. Ich schwankte und legte eine Hand gegen die Mauer, um das Gleichgewicht zu bewahren. In der gegenüberliegenden Wand war eine Tür, und ich tastete mich an der Mauer entlang darauf zu.
    Eine Frau trat plötzlich durch eine Tür an der anderen Seite des Herdes und kam auf mich zugelaufen, wobei sie etwas in der unbekannten Sprache sagte. Ich erinnerte mich an sie, es war dieselbe, die in der Dunkelheit neben mir gestanden hatte. Sie faßte mich beim Ellbogen, sprach zu mir und versuchte, mich zum Bett zurückzuführen.
    »Ich muß Tirgatao finden«, sagte ich.
    »Ihr solltet nicht aufsein«, erwiderte sie in ihrer anderen Sprache – und jetzt begriff ich, daß es Latein war. »Versteht Ihr mich? Ihr solltet Euch erst von Zeit zu Zeit im Bett aufsetzen, bevor Ihr zu gehen versucht. Und Ihr müßt vor allem essen, um kräftiger zu werden.«
    »Aber Tirgatao … Ich muß Tirgatao finden«, sagte ich, diesmal auf lateinisch. »Sie wurde verbrannt, nicht begraben, aber vielleicht irrt sie umher, um mich zu suchen, und wird kommen, wenn ich sie rufe. Vielleicht ist sie draußen. Bitte, ich muß sie finden.«
    »Es ist niemand draußen«, sagte die Frau.
    Ich schob sie weg und ging schwankend zur Tür. Als die Klinke nach mehreren vergeblichen Versuchen endlich nachgab, stieß ich die Tür auf. Vor mir lag der Wirtschaftshof einer Farm, Hühner kratzten im frischen Schnee nach Futter, und im Hintergrund waren weiße Hügel und dunkle, unbelaubte Bäume unter einem grauen Himmel. Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und starrte. Es war alles falsch. Das war gar nicht mein Land. Sie hatten mich am falschen Platz begraben. »Tirgatao!« rief ich, verzweifelt hoffend, daß sie mich doch irgendwie hören konnte: »Artanisca! Tirgatao!«
    »Bitte kommt zurück, und laßt mich die Tür schließen«, sagte die Frau. »Ihr solltet nicht halb nackt in der Kälte stehen. Ihr wart fast erfroren, kaum noch am Leben, als wir Euch gefunden haben.«
    Ich ließ sie die Tür schließen, und sie führte mich zum Bett zurück. Meine Kräfte verließen mich, ich brach neben dem Bett zusammen und weinte bitterlich, dann hustete ich unter Krämpfen noch mehr Wasser aus.
    »Sie haben ihre Leiche verbrannt«, erklärte ich der Frau, als ich wieder sprechen konnte. »Deshalb ist sie nicht hier. Und sie haben mich am falschen Platz begraben, und jetzt kann ich sie nicht finden.«
    »Keiner der Lebenden kann die Toten finden«, entgegnete sie.
    »Aber jetzt, wo ich tot bin …«
    Um ihren Mund spielte ein leises, amüsiertes Lächeln. »Ihr glaubt, daß Ihr tot seid? Nein.«
    Ich sah sie verständnislos an. Sie nahm meine Hand, drehte sie um und ließ ihren Daumen mit festem Druck über mein Handgelenk gleiten: Die blaue Blutader wurde weiß, dann sprang sie wieder vor, gefüllt mit der Kraft des Lebens. »Ihr seid lebendig«, sagte sie sanft.
    Ich sah sie zweifelnd an. »Wenn ich lebendig bin, warum bin ich dann in einem Grab?«
    »Wieso denkt Ihr, daß Ihr in einem Grab seid?«
    Ich legte meine Hand wieder an die Wand. »Es ist Stein.«
    »Verwenden sie da, wo Ihr herkommt, Steine nur zum Bau von Gräbern? Dies ist ein Haus. Ihr seid auf der Flußau-Farm, fünf Meilen von Corstopitum in der Region Brigantia. Mein Name ist

Weitere Kostenlose Bücher