Die Reiter der Sarmaten
linke Hand. Sie kniete sich neben mich und schaute mir ins Gesicht. »Du kannst mich sehen, nicht wahr?« flüsterte sie. Ihre Augen waren unnatürlich glänzend, ihr Gesicht glühte wie im Fieber, und sie lächelte. »Ich habe dir den Bogen gegeben, damit sie glauben, du warst auf der Jagd. Das Schwert habe ich an den Sattel gehängt, denn du hättest es sicher abgenommen, wenn du in das Wasser waten wolltest, um ein erlegtes Flugwild herauszuholen.«
Wasser. Ich versuchte, den Kopf zur Seite zu drehen. Nach einer, wie mir schien, sehr langen Zeit bewegte er sich ein wenig, und ich sah den Fluß, nur wenige Fuß entfernt.
»Ja, dort«, sagte Bodica mit hämischem Lachen. »Du wirst ertrinken. Ich habe noch nie einen Menschen ertränkt. Nur Tiere.« Sie setzte sich und zog die Schuhe aus. »Ihr Sarmaten glaubt, daß Menschen, die ertrinken, für ewig verdammt sind, habe ich mir sagen lassen.« Sie kicherte.
Ich konnte mich weder bewegen noch sprechen. Bodica beugte sich wieder über mich, ihr Gesicht war meinem ganz nahe. Sie ließ ihre Hand über meinen Arm hinauf gleiten und preßte meine Schulter. »Du bist stark«, flüsterte sie. »Ein großer, starker Krieger, ein Kommandeur und ein Fürst, der über Männer gebietet. Und du wirst ertrinken wie ein hilfloser junger Hund.« Sie kicherte wieder, rieb meine Schulter wie eine Liebende, ihr Gesicht kam mir noch näher, und sie küßte mich, mit geöffnetem Mund, heiß und feucht. Es war ekelhaft und grausig. Es war mein Tod, den sie küßte, und die Lust, die sie dabei empfand, war irgendwie noch abscheulicher als der Akt selbst.
Sie stand auf, legte ihre Schuhe und Socken in den Wagen und stieß mich mit den nackten Füßen vorwärts; hilflos rollte ich auf den Fluß zu. Ich schloß die Augen. Tirgatao, dachte ich, werde ich Tirgatao finden, wenn ich tot bin? Marha, Jupiter, alle Götter der Welt – laßt das, was die Menschen meines Volkes glauben, falsch sein, laßt mich Tirgatao und Artanisca wiederfinden.
Bodica gab mir noch einen Stoß, und ich rollte ins Wasser. Sie schürzte ihr Gewand, schritt in das seichte Wasser und gab mir einen weiteren Stoß, so daß ich mit dem Gesicht nach unten lag. Das letzte, was ich wahrnahm, war das Gewicht ihres Fußes, der mich herunterdrückte.
8
Das erste Mal wachte ich im Dunkeln auf und roch Feuer. Ich hatte kein Gefühl in den Gliedern, aber die Kälte schnitt scharf wie Messer in Brust und Leib. Ich hustete, und jemand richtete mich auf. Die Haut der Hände, die meinen Körper berührten, schien glühend heiß zu sein. Ich hatte den Geschmack des Flußwassers im Mund, und ich spürte, wie es mir die Brust zusammenschnürte. Ich kämpfte, um mich von dem Druck zu befreien, hustete, keuchte, erbrach mich. Das Wasser gluckste in meiner Lunge und lief mir aus der Nase. Die Person hielt mir eine Schüssel unter den Mund, sprach beruhigende Worte, und als die Krämpfe schließlich aufhörten, legte sie mich zurück und deckte mich zu. Ich lag still da; dann wieder schien mein erstarrter Körper schwebend dahinzutreiben; ich schlief; ich wachte wieder auf und fühlte mich wärmer. Nach wie vor umgab mich die nach Feuer riechende Dunkelheit. Meine Hände und Füße brannten, mein Kopf schmerzte, und mir war noch immer übel. Ich versuchte mit aller Kraft, mich zu bewegen, und eine Frauenstimme sagte etwas, sanft und tröstend, und eine weiche Hand strich mir das Haar aus dem Gesicht. Die Spannung löste sich.
»Tirgatao«, sagte ich. Ich hatte das Gefühl, als ob ich aus einem schweren Alptraum ins Leben zurückkehrte. Ich öffnete die Augen und versuchte, sie zu sehen.
Aber es war nicht Tirgatao. Das rötliche Licht des Feuers zeigte mir eine Frau, die nahe bei mir stand, aber es war eine fremde, seltsam aussehende Frau mit einem langen, ovalen Gesicht, dunklem Haar – die Farbe war bei dem schwachen Licht nicht zu erkennen –, einem sanften Mund und zarten Händen. Ich starrte sie lange verwirrt an. »Wo ist Tirgatao?« fragte ich schließlich.
Ich fragte auf Sarmatisch, und die Frau sagte etwas in einer mir unbekannten Sprache. Ich sah sie verständnislos an, und sie sagte etwas in einer anderen Sprache. Ich hatte das Gefühl, ich müßte verstehen, was sie gesagt hatte, aber ich konnte es nicht, und ich weinte, weil ich es nicht konnte. Die Frau strich mir wieder sanft übers Haar und sagte »schhh, schhh«, wenigstens das verstand ich. Ich wurde ruhig, nach einer Weile sank ich in den Schlaf zurück.
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