Die Reiter der Sarmaten
würde er uns noch gefährlicher sein, viel gefährlicher.«
»Ich hätte mit ihm gekämpft«, protestierte Arshak. »Er ist gut, aber ich hätte ihn besiegt.«
»Alle Welt weiß, daß du Condercum mit ihm zusammen verlassen hast. Wenn man ihn fände, von einem Speer getötet – ich zweifle nicht daran, mein teures Herz, daß du ihn im Kampf besiegt hättest –, dann wäre es offensichtlich, daß du es getan hast, und was würde dann aus uns und unseren Plänen werden?«
»Was hast du mit ihm gemacht?« wiederholte Arshak. »Er ist ein Fürst der Jazygen, er verdiente es, im Kampf zu sterben.« Aber sein Widerspruch hörte sich nur noch halbherzig an.
Ich versuchte, mir darüber klarzuwerden, was geschehen war. Der Wein mußte ein Betäubungsmittel enthalten haben. Nein, das war unmöglich, sie hatte selbst davon getrunken, und Arshak auch. Der Becher, mein Becher, der Becher, den sie mir »unter dem geheiligten Gesetz der Gastfreundschaft« gereicht hatte. War sie so sicher gewesen, ich würde es ablehnen, mich mit ihnen zu verbünden? Wie konnte Arshak das akzeptieren? Ich versuchte hochzukommen, schaffte es, mich auf einen Ellbogen zu stützen – und fiel zurück.
»Er verdient den Tod«, entgegnete Bodica auf Arshaks Vorwurf. »Daß er ein Fürst der Jazygen ist, macht seine Anbiederung an die Römer nur noch schlimmer. Reite zurück nach Corstopitum, aber halte dich unterwegs eine Zeitlang auf, um zu jagen. Leg die Rüstung ab. Sag ihnen, ihr hättet auf dem Rückweg von Condercum Wild gesehen, einen Hirsch oder eine Kette Rebhühner, und ihr hättet euch entschlossen, auf die Jagd zu gehen. Du hast ihn aus den Augen verloren und gedacht, er wäre allein nach Corstopitum zurückgekehrt. Es wird nach einem Unfall aussehen.«
»Aber …«
»Er hat dich verraten, mein Herz! Siehst du das nicht? Mein Gemahl vertraut ihm, er wollte ihn sogar befördern, wie du selbst gehört hast. Er hätte ihn sicherlich zu seinem Berater in allen Angelegenheiten der Sarmaten ernannt; damit wäre er dein Vorgesetzter geworden, und du würdest die längste Zeit Kommandeur gewesen sein. Eine solche Schande könnte ich nicht ertragen, ich würde sterben. Mach dich auf den Weg, rasch. Ich werde allein mit ihm fertig.«
»Laß mich dir wenigstens helfen. Du kannst das nicht allein.«
»Ich kann es. Sei vernünftig! Die Straße ist jetzt leer, aber wer weiß, ob nicht bald jemand vorbeikommen wird. Wir dürfen nicht zusammen gesehen werden. Hilf mir nur eben, ihn in den Wagen zu legen, den Rest schaffe ich allein.«
Arshak hob mich an den Schultern hoch, hängte mich über Farnas Rücken und führte sie zum Wagen hinüber. Ich nahm das alles wie durch einen Nebelschleier wahr, konnte mich jedoch nicht bewegen. Das einzige, was ich schaffte, war, den Kopf einen Augenblick lang anzuheben, er fiel gleich wieder zurück. Ich wurde wie eine Leiche in den Wagen gelegt und unter die Sitzbank geschoben. Ich bemerkte noch, wie Bodica und Arshak miteinander flüsterten und sich verabschiedeten; dann setzte sich der Wagen mit einem Ruck in Bewegung.
Er rollte eine Zeitlang über die gepflasterte Straße, und ich lag hilflos unter der Bank, manchmal bewußtlos, dann halb wach. Aber auch wenn mein Geist für kurze Zeit den Nebel und die Dunkelheit durchbrechen konnte, es gelang mir einfach nicht, meine Gedanken zu konzentrieren; die Phantasie gaukelte mir vor, endlich sei mir gelungen, was ich mir so viele Jahre gewünscht hatte: das Jadetor zu erreichen. Es war kalt. Nach einiger Zeit wurde mir bewußt, daß wir die gepflasterte Straße verlassen hatten und der Wagen holpernd über einen rauheren Grund fuhr. Ich versuchte, mich auf die Seite zu drehen, schaffte es aber nur, den Kopf ein wenig zu bewegen. Ich sah den Saum von Bodicas Gewand, ihre Füße in den reich verzierten Lederschuhen, und dahinter einen ausgefahrenen Karrenweg. Der Wagen bog ab, und die Fahrt ging weiter über Gras, braunes, leicht mit Schnee gesprenkeltes Wintergras. Der Wagen hielt.
Die Welt verblaßte, ich versank in einen Dämmerzustand, mir war entsetzlich kalt und übel. Bodica zerrte mich aus dem Wagen und ließ mich auf das Gras fallen, dann ging sie fort und machte sich an meinem Pferd zu schaffen, das, wie ich jetzt sah, hinter dem Wagen angebunden war. Sie kam zurück, beugte sich über mich und löste mein Schwertgehänge, nahm es mir ab und befestigte das Gehänge mit dem Schwert an meinem Sattel. Dann nahm sie den Bogen und legte ihn mir in die
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