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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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Bodenauflockerung in den Nördlichen Ländereien kurzzeitig unterbrochen auf Grund einzelner und seltener… Neue Methoden der Versumpfung eröffnen neue weite Räume für Entspannung und weiteren Vormarsch… In allen Siedlungen… große Siege… Arbeit und Anstrengungen… neue Verbände der Freundinnen… morgen und auf immer Frieden und Verschmelzung… «
Der Alte, der inzwischen hinzugekommen war, stand hinter Candide und kommentierte enthusiastisch: »In allen Siedlungen, hast du gehört? – Also auch bei uns… Große Siege! Das sag’ ich doch die ganze Zeit: Man darf nicht… Frieden und Verschmelzung – das muß man erst mal zuwege bringen… Folglich’ auch bei uns, wenn sie sagen, überall… Und neue Verbände der Freundinnen, hast du’s mitgekriegt?«
Der Horcher verstummte und ließ sich in den Hocker nieder. Das lila Wölkchen löste sich auf. Der Alte klopfte dem Horcher ungeduldig auf den kahlen Schädel. Der Horcher zwinkerte mehrmals mit den Augen, rieb sich die Ohren.
»Was hab’ ich denn jetzt erzählt?« fragte er. »War wohl eine Übermittlung? Wie sieht’s mit der Besetzung aus? Geht’s voran, oder? – Hör mal, Schweiger, geh nicht aufs Feld. Du bist auf der Suche nach deiner Nawa, nehm’ ich an, deine Nawa aber… «
Candide stieg über den Topf mit dem Grastod hinweg und entfernte sich eilig. Vom Alten war schon bald nichts mehr zu hören – entweder hatte er sich mit dem Horcher angelegt, oder er war außer Atem gekommen und in ein Haus gegangen, um sich auszuruhen, etwas zu essen.
Das Haus von Faust stand am äußersten Ortsrand. Eine schlampige Alte, seine Mutter oder auch Tante, sagte unfreundlich raunzend, Faust sei nicht zu Hause, er sei auf dem Feld. Wenn er zu Hause wäre, brauchte man ihn nicht auf dem Feld zu suchen, da er nun aber mal auf dem Feld sei, solle er, der Schweiger, nicht unnütz hier rumstehen.
Auf dem Feld wurde gesät. Die Luft, schwül und zum Schneiden dick, war von kräftigen Gerüchen durchtränkt, es stank nach Schweiß, Gärmasse und faulenden Gräsern. Die morgendliche Ernte war in dicken Packen entlang der Furchen gelagert worden, das Korn war bereits angegangen. Über den Gefäßen mit der Gärmasse drängten sich kreisend Schwärme von Arbeitsfliegen, und inmitten dieses schwarzen, metallen schimmernden Wirbels stand der Dorfälteste und studierte aufmerksam, den Kopf geneigt und ein Auge zusammengekniffen, einen Tropfen des Gemischs auf seinem Daumennagel. Es war ein speziell präparierter Nagel, flach, sorgsam poliert und mit einem entsprechenden Mittel auf Hochglanz gebracht. Zu Füßen des Dorfältesten krochen, jeweils zehn Schritte voneinander entfernt, die Säleute durch die Furchen. Sie sangen jetzt nicht mehr, doch in der Tiefe des Waldes hallte und schallte es weiter, es war also klar, daß es sich nicht um das Echo handelte.
Candide ging geduckt die Reihe ab, um die gesenkten Gesichter zu erkennen. Als er Faust gefunden hatte, tippte er ihm auf die Schulter, und der andere kletterte augenblicklich, ohne eine Frage zu stellen, aus der Furche. Sein Bart war dreckverschmiert.
»Was, beim stinkigen Pelz, willst du?« krächzte er und schaute auf Candides Füße. »Da wollte schon mal einer was, beim stinkigen Pelz, aber den haben sie an Armen und Beinen genommen und auf einen Baum geschleudert, da hängt er jetzt noch, und wenn sie ihn runterholen, wird er nichts mehr wollen, beim stinkigen Pelz…«
»Kommst du mit?« fragte Candide knapp.
»Und ob ich mitkomme, beim stinkigen Pelz, wo ich doch Gärmasse für sieben Mann angerührt hab’, kann gar nicht mehr ins Haus, so stinkt’s, ist kaum noch zum Aushalten, wie soll ich da nicht mitkommen – der Alte will’s nicht raustragen, und ich selbst kann das Zeug nicht mehr sehn. Aber wo gehn wir überhaupt hin? Hinkebein sagte gestern, ins Dickicht, doch ins Dickicht komm’ ich nicht mit, beim stinkigen Pelz, da gibts keine Leute und Weiber schon gar nicht, und wenn man jemanden an Armen und Beinen packen will, um ihn auf einen Baum zu werfen, gibt’ niemanden, beim stinkigen Pelz, ohne Weib aber kann ich gleich gar nicht weitermachen, da befördert mich der Dorfälteste ins Jenseits… Dort steht er, beim stinkigen Pelz, und sperrt sein Auge auf, dabei ist er blind wie ‘ne Fußhacke, beim stinkigen Pelz… Da stand schon mal einer so, sie haben ihm eins ins Auge gegeben, nun steht er nicht mehr, beim stinkigen Pelz, ins Dickicht jedenfalls geh’ ich nicht mit, ob du willst oder

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