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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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Onkel dies aber nicht zu beabsichtigen schien, schlug er vor: »Kommen Sie, wir können uns unter der Dusche ein wenig erfrischen.«
    In der in einem Gartenwinkel angelegten Sommerdusche betrachtete er mit unwillkürlicher Neugier Platonows muskulösen Körper – mit der Neugier des Facharztes für Geriatrie, der sich mit alten Leuten gut auskannte. Nein, mehr als vierzig konnte man diesem seltsamen Onkel beim besten Willen nicht geben. Natürlich kam es vor, daß das Äußere täuschte. Man hätte sein Blut untersuchen und eine Röntgenaufnahme vom Herzen machen müssen.
    Platonow prustete unter dem kalten Strahl und schlug sich mit den Handflächen auf Brust und Schultern. Zwischen den rötlichen Haaren auf seiner Brust schimmerten vernarbte, alte Wundmale. Und auch auf dem Rücken zog sich quer über die Schulterblätter eine breite Narbe mit zackigen Rändern. Michail erinnerte sich plötzlich dunkel daran, von seiner Mutter gehört zu haben, daß Onkel Georgi im Krieg bei den Fliegern gewesen sei.
    »In eurer Stadt«, sagte Platonow, »nutzen sich die Schuhe wahrscheinlich schnell ab.«
»Die Schuhe?« fragte Michail zurück. »Ja, natürlich, sie nutzen sich ab. Wieso?«
Platonow gab keine Antwort. Er prustete noch eine Weile und frottierte sich dann kräftig mit einem Handtuch.
»Das hier ist ein Andenken an die Faschisten«, sagte er und klopfte sich auf die Brust. »Ein MG-Feuerstoß. Ihn hat es übrigens noch schlimmer erwischt. Ach, wie lange ist das her – du warst damals noch nicht einmal auf der Welt… Hast du Familie?«
»Ja. Unser Sohn ist wie immer unten am Meer. Meine Frau kommt bald von der Arbeit zurück – dann macht sie uns etwas zu essen. Aber vielleicht möchten Sie jetzt schon eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen?«
»Nein, ich habe keinen Hunger. Und über eins wollen wir uns gleich einigen, Michail: Durch meine Anwesenheit soll sich an eurem Familienleben nichts ändern. Ich will euch nicht zur Last fallen.«
»Sie fallen uns doch nicht zur Last. Im Gegenteil, ich freue mich sehr, daß…«
»Schon gut.« Platonow hob seinen Arm mit nach oben gerichteter Handfläche. »Emotionen sind eine unsichere Sache, lassen wir sie lieber beiseite.«
Sie verließen die Dusche und gingen durch den Garten auf das Haus zu.
In diesem Moment klappte das Gartentor, man hörte rasche Schritte, und hinter einer Blumenrabatte kam ein braungebrannter, etwa dreizehnjähriger Junge hervor.
»Papa!« rief er schon von weitem. »Ich habe so eine große Bastardmakrele gefangen!« Er breitete die Arme aus, verstummte verlegen und musterte den Unbekannten mit einem Seitenblick.
»Igor, das ist Onkel Georgi«, stellte Michail vor.
»Guten Tag, Igor«, sagte Platonow ernst, ohne jene Herablassung, die Erwachsene oft Kindern gegenüber an den Tag legen, und drückte die schmale Hand des Jungen. »Wo hast du denn deine Bastardmakrele gelassen?«
»Bei Philipp, er will sie ausnehmen und im Feuer rösten. Philipp sagt, daß er noch nie eine so große Bastardmakrele gesehen hat. Bleiben Sie lange bei uns?«
»Nein, nicht sehr lange.« Platonow klopfte mit dem Zeigefinger auf das vorstehende Schlüsselbein des Jungen. »Willst du mir ein wenig helfen?«
»Ja«, sagte Igor.
    Am Abend aßen sie zusammen auf der Veranda.
»Darf ich Ihnen noch etwas Fleisch auftun?« fragte Assja,
Michail Lewitskis Frau. Sie vermied die Anrede »Onkel Georgi« – sein jugendliches Aussehen flößte ihr aus irgendeinem
Grunde feindseliges Mißtrauen ein.
»Nein, danke«, erwiderte Platonow. »Das Fleisch und das
Gemüse waren wunderbar. Sie sind eine großartige Hausfrau,
Assja.«
Sie dankte trocken und setzte dem Gast Süßkirschenkompott
vor.
»Mama«, sagte Igor, munter mit den Beinen baumelnd,
»morgen gehe ich mit Onkel Georgi zur Lusamündung.« »Das freut mich. Aber warum fahrt ihr nicht einfach zur
Chalzedonowaja-Bucht? Die Strände sind dort besser ausgestattet.«
»Ach, Chalzedonowaja! Millionen Leute unter einem Sonnendach!«
»Das ist immer noch besser, als in der Hitze dreißig Kilometer weit bis zur Lusa zu laufen.«
»Wenn es so weit ist, können wir auch einfach ein wenig in
der Nähe umherstreifen«, sagte Platonow, der Assja ein gewisses Unbehagen anmerkte.
»Nein, nein!« rief Igor aus. »Sie haben doch selbst gesagt,
daß Sie in Ihren Schuhen eine große Tour machen wollen.« »In was für Schuhen?« fragte Assja.
Platonow blickte in das runde Gesicht der Frau, auf ihre verkniffenen Lippen.
»Ich möchte einfach meine neuen

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