Die Reliquie von Buchhorn
»Der Täter ist ein Mönch, der sich Bruder Silvanus nennt, und das wisst Ihr besser als ich. Was unseren Ehebruch angeht, können wir nur um Nachsicht bitten.«
Die Flecke in Eckhards Wangen vertieften sich. »Nachsicht? Glaubst du, ich werde eure Sünde auch noch decken? Und wenn das bekannt wird, werdet ihr beide des Mordes angeklagt. Ich hoffe, das ist dir klar. Die Leute werden euch in Stücke reißen. Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?«
»Warum wohl?«, flüsterte Wulfhard, aber Eckhard hörte ihn trotzdem.
»Was hast du denn erwartet?«, brüllte er und hieb mit der flachen Hand auf den Strohsack. Seine Finger streiften etwas Hartes. Er wollte es beiseite fegen, als sein Blick auf eine kostbare Ledertasche mit schmalem Goldrand fiel. »Was ist das?« Er nahm die Tasche auf, die Wendelgard auf dem Bett hatte liegen lassen, und hob sie hoch. »Woher hast du das?«
»Was?«
»Die Tasche, Weib!« Eckhard hielt sie ihr so dicht vor das Gesicht, dass sie zurückschrak. »Woher hast du die?«
»Die …, die Gräfin hat sie mir gezeigt. Angeblich war sie bei Dietgers Sachen. Ich …«
»Wo?«
»In seiner Hütte.«
»Und sie war leer?«
»Die Hütte?«
»Die Tasche, verdammt!«, brüllte Eckhard. »War sie leer?«
»Ja.«
Eckhard hieb die Faust in die flache Hand, dass es klatschte. »Wulfhard, wir müssen zurück. Sofort!«
»Aber …«
»Sofort!«, wiederholte Eckhard. Seine Stimme überschlug sich. »Wenn du jetzt gehorchst, dann kommt ihr beide vielleicht lebend aus der Geschichte heraus. Wo ist Rodericus?«
»Wahrscheinlich in der Kapelle. Beten, wie immer.«
»Hunfried?«
»Bei Gudrun in der Küche. Righild und Gerald auch.«
»Hol sie. Righild nicht. Dann sattle die Pferde. In
zehn Minuten will ich aufbrechen.«
»Ihr verlangt von mir, dass ich Euch begleite? Eben sollte ich noch verschwinden!« Wulfhard brach ab, als Eckhard ihn mit beiden Fäusten am Wams packte und schüttelte.
»Du hältst jetzt dein Maul und gehorchst. Verstanden?«
»Verstanden.«
Eckhard wirbelte zu Isentrud herum. »Und du rührst dich hier nicht weg.«
Isentrud nickte mit großen Augen. Sie bückte sich nach der Tasche, die auf den Boden gefallen war. »Braucht Ihr die?«
Wortlos riss Eckhard sie ihr aus der Hand, dann raffte er seine Kutte und lief zum Stall. Auf dem Weg wurde er von Gerald und Hunfried überholt, die aus der Küche kamen.
Geralds Hände waren mit Leinenstreifen umwickelt, und auch in seinem Gesicht zeugten grünliche Flecke irgendeiner Kräuterpaste davon, dass Gudrun sich seiner Verletzungen angenommen hatte. »Wulfhard hat gesagt, dass wir ins Dorf müssen. Was ist passiert?«
»Ich glaube, ich habe eines der fehlenden Teile in diesem Rätsel.« Eckhard vergewisserte sich, dass Wulfhard in fliegender Hast die Pferde sattelte. Von der Kapelle her war das Tappen von Rodericus’ Ledersandalen zu hören. Eckhard beruhigte sich etwas. Er zeigte Gerald und Hunfried das Lederetui.
Während der Schmied es nur verständnislos musterte, hob der Söldner die Brauen. »Ihr wisst, was das ist, Bruder Eckhard?«
»Ich habe eine Vermutung. Ich habe solche Mappen gesehen, als ich dem Fürstbischof, möge Gott seiner Seele gnädig sein, diente. Dokumente werden darin aufbewahrt, damit sie auf langen Reisen geschützt sind. Du scheinst mit mir einer Meinung zu sein.«
Hunfried nickte. Beinahe ehrfürchtig berührte er mit seiner großen Hand die Tasche. »Der Inhalt?«
»Sie ist leer!«
»Leer!« Rodericus’ Stimme gellte auf. Er riss Eckhard die Tasche aus der Hand und öffnete sie ungestüm. »Leer«, wiederholte er tonlos. »Dann habe ich wirklich und wahrhaftig versagt.« Er machte eine Geste, als ob er auf die Knie fallen wollte, aber Eckhard packte ihn am Kragen seiner Kutte und zog ihn wieder auf die Füße.
»Reiß dich zusammen, Bruder«, befahl er scharf. »Noch ist nichts verloren. Aber du musst uns endlich die Wahrheit sagen. Bruder Warmund hatte diese Tasche bei sich?«
»Ja.«
»Und sie enthielt das Dokument, das der Abt euch anvertraut hatte?«
Rodericus unterdrückte ein Schluchzen. »Ja.«
»Bruder Rodericus, bitte! Versuch dich zu erinnern. Als ihr auf dem Markt von Aeschach wart, hat Bruder Warmund da mit jemandem gesprochen?«
»Die Pferde sind gesattelt«, unterbrach Wulfhard.
Eckhard brachte ihn mit einer gereizten Geste zum Schweigen. Sein Blick ließ Rodericus nicht los.
Der junge Benediktiner hatte die Augen in dem Versuch geschlossen, sich die Szene
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