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Die Reliquie von Buchhorn

Die Reliquie von Buchhorn

Titel: Die Reliquie von Buchhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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daliegt? Was sagt ihr dann?«
    Alle sahen zu Hannes hinüber, der an einem der anderen Tische mit den Gästen scherzte. Sein Lachen dröhnte zu ihnen her.
    »Verdammt«, fluchte der Zimmermann.
    »Aber sie ist bloß eine Frau!«, rief Veit und umklammerte seinen Krug. »Du sagst doch selber, der Graf ist kein Narr. Und er hat diesen Mönch damit betraut, den Mörder zu finden. Der hat bisher jeden Mörder gefunden.«
    »Und warum ist der net hier?«, warf der Zimmermann ein. »Außerdem hast du es selber gesagt: Er ist ein Mönch, er hat doch gar keine Ahnung von Frauen.«
    Bertram nickte lauernd. »Der fromme Bruder ist den Fallstricken der Weiber entkommen. Aber wir kennen sie, nicht wahr?« Er sah den Fischer durchbohrend an. »Du kennst sie! Oder hast du vergessen, was dein eigenes Weib dir angetan hat?«
    Der alte Mann schlug die Augen nieder und schüttelte den Kopf.
    »Na also!« Bertram sah seine Freude vielsagend an, ehe er mit leiser Stimme fortfuhr. Die anderen mussten sich vorbeugen, um ihn zu verstehen. »Ich war wie ihr in der Hütte, um Dietger die letzte Ehre zu erweisen. Da war alles zerschlagen, so als ob jemand alle Spuren von Dietgers Leben austilgen wollte. Wer außer ihr sollte das wollen?«
    »Stimmt, meine Frau zerschmeißt auch dauernd Sachen, wenn sie wütend ist«, warf der jüngere Bauer eifrig ein.
    »Und so eine erbt den Hof«, ereiferte sich der andere. »Es ist eine Schande!«
    »Dann sollten wir zum Grafen gehen. Sagen wir ihm, dass sie es war.« Der Fischer kratzte sich am Kopf. »Der Graf wird wissen, was zu tun ist.«
    »Der Graf, der Graf«, höhnte Bertram. »Den hat es bislang auch nicht interessiert. Der sagt uns doch nur, dass wir auf den Klosterbruder warten sollen, wenn er uns überhaupt anhört. Nein, Freunde, ich denke, wir sollten das selber in die Hand nehmen.«
    »Und wie?«
    »Wir stellen sie zur Rede, was denn sonst?«
    »Aber …«
    Bertram fuhr zu dem Fischer herum, der erschrocken verstummte. »Dann bleib hier, wenn dir das Andenken deines Freundes so wenig wert ist. Bleib hier und sauf weiter. Zu mehr taugst du sowieso nicht mehr. Kein Wunder, dass dir deine Frau weggelaufen ist.«
    Veit wurde bleich. Er erhob sich schwankend. »Ich komme mit!«
    Bertram sah die anderen an. Sein Gesicht war leicht gerötet, aber seine Augen wirkten vollkommen klar. »Und ihr?«
    Der Zimmermann stand auf. »Wir stellen sie zur Rede. Und wenn sie’s war, schleif ich sie persönlich zum Grafen.«
    »Ich bin dabei!«
    »Ich auch.«
    Bertram lächelte. »Gut, ich wusste, dass ihr Männer von Ehre seid.« Er holte seine Börse hervor und warf eine Handvoll Münzen auf den Tisch. »Wir gehen, Hannes«, rief er. »Die Zeche hab ich dir dagelassen. Hab noch einen schönen Tag.«
    Hannes erwiderte den Gruß mit der Hand. Er sah den fünf Männern nach, wie sie die Schenke verließen. »Sonst sind die doch immer die Letzten, die gehen.«
    Steffen befingerte die Barthaare an seinem Kinn und versuchte, in einer Bierlache einen Blick auf sein Spiegelbild zu erhaschen. »Ach, die gehen doch bloß zurück zur Arbeit.«
    Hannes griff nach einem Lappen und wischte die Pfütze weg, ohne auf den empörten Blick seines Neffen zu achten. »Hoffentlich. Und jetzt mach du deine.«
     
    Isentrud ließ den Kopf in die Hände fallen und schaute sich in der Hütte um. »Es ist so trostlos.« Sie drehte den Kopf weg, als Fridrun das dicke Tuch vom Fenster wegriss, und schirmte die Augen mit der Hand ab. »Das ist hell.«
    »Natürlich ist das hell. Du brauchst Licht und Luft und nicht diese Trauerstimmung«, erklärte Fridrun resolut. Sie kauerte sich auf den Boden und begann, die klebrigen Scherben aufzulesen. »Isentrud, Dietger ist tot. Fang an zu leben.«
    »Und wie?« Isentruds Augen wirkten leer. »Ich kann mit Bienen nicht umgehen. Im Gegenteil, ich verabscheue die Biester. Aber ein anderes Zuhause habe ich nicht.«
    »Keine Familie?«
    Isentrud schüttelte den Kopf. »Meine Schwestern sind im Kindbett gestorben, von meinen drei Brüdern sind zwei im Krieg gegen die Ungarn gefallen, der letzte war Zimmermann und ist vom Dachgerüst gestürzt. Dietger ist es ähnlich ergangen, nicht dass ich mich gern an seine Familie wenden würde. Nein, da ist niemand mehr.«
    Fridrun betrachtete ihre Finger, an deren Kuppen sich dicke Schwielen abzeichneten. »Ich weiß, wie das ist, keine Familie zu haben. Ich habe mich immer alleine durchgeschlagen. Jetzt bin ich Ehefrau, und trotzdem haben wir keine Familie.«

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