Die Reliquie von Buchhorn
und rannte auf die Männer zu. »Haut endlich ab!«, kreischte sie. »Lasst Isentrud in Ruhe! Und wenn ihr glaubt, dass ihr mich auch herumstoßen könnt, dann denkt lieber zwei Mal nach, mit wem ich verheiratet bin! Nun?« Sie sah einem nach dem anderen herausfordernd in die Augen.
Schließlich hielt nur noch Bertram ihrem Blick stand. Sein Mund war verkniffen, obwohl er lächelte. »Und wie lange wird dein Mann dich noch beschützen, Weib ohne Kinder? Du bist unfruchtbar wie sie! Eine Fremde wie sie! Und der Tag wird kommen, an dem du im Staub liegst wie sie!«
Auf Fridruns Wangen brannten rote Flecke, aber sie wandte sich nur brüsk ab und streckte die Hand aus, um Isentrud auf die Füße zu helfen. »Komm ins Haus«, bat sie mit schwankender Stimme. »Ich habe dir gesagt, dass diese Säufer nur Unsinn reden. Niemand glaubt, dass du deinen Mann ermordet hast.«
»Doch!« Bertram griff nach Fridruns Schleier, riss ihn herunter und trat mit dem Absatz darauf. Das blonde Haar der jungen Frau wurde von einem Windstoß durcheinandergewirbelt. Bertram lachte verächtlich, als sie vergeblich versuchte, es zu bändigen. »Und der Tag, an dem sie dafür büßt, ist ebenso nah wie der Tag deiner Schande!«
Fridruns Nasenflügel blähten sich.
Plötzlich mischte sich der alte Fischer ein. »Lassen wir es gut sein«, sagte er. »Ihr Mann ist ein Günstling des Grafen.«
»Das weiß ich selber«, schnauzte Bertram, aber er trat einen Schritt zurück. »Heute oder morgen oder am Tag danach, mir soll es recht sein. Aber denk daran, Isentrud, wir werden die Wahrheit ans Licht bringen.«
Die Männer stapften über die feuchte Wiese zurück zum Dorf.
Als sie ihnen den Rücken gekehrt hatten, begann Fridrun zu zittern. Mit unsicheren Fingern klaubte sie ihren schmutzigen Schleier aus dem Gras und betrachtete ihn. »Die meinen es ernst. Und Gerald ist nicht hier. Wir brauchen Hilfe. Isentrud, du darfst das Haus nicht mehr verlassen. Oder geh zurück zu Hannes. Dieser Bertram ist ja wahnsinnig!« Sie zupfte an der Hand ihrer Freundin. »Isentrud, komm doch!«
Isentrud stand reglos da und sah den Männern nach,
die kaum noch erkennbar waren. Ihre Mundwinkel zuckten, und ein raues Lachen kam über ihre Lippen.
Fassungslos starrte Fridrun sie an. »Was um aller Heiligen willen ist so lustig?«
»Dass er mich immer noch für meine Kinderlosigkeit anklagt, das ist lustig!« Isentrud fuhr sich mit beiden Händen in die Haare. Sie lachte immer noch, aber in ihren eisigen grauen Augen stand nackte Verzweiflung, als sie in ihren Ausschnitt griff und einen kleinen Gegenstand hervorzerrte. »Verstehst du nicht, das ist lustig, weil ich schwanger bin!«
Fridrun riss die Augen auf. »Du bist schwanger?«, flüsterte sie. Ihr Blick streifte Isentruds schmale Taille.
»Man sieht es noch nicht, aber ich bin schwanger. Als Dietger aus Aeschach zurückgekommen ist, hat er mir diese Reliquie mitgebracht und gesagt, dass sie mich fruchtbar machen wird. In der Nacht hat er mich dann … genommen. Und jetzt trage ich sein Kind.« Sie schwankte und fiel auf die Knie.
Hilflos sah Fridrun zu, wie Isentrud mit bloßen Händen auf den kalten Boden einschlug. »Aber das ist doch wunderbar. Du wirst Mutter!«
»Und Dietger ist der Vater. Und ich soll ihn umgebracht haben. Gott weiß, dass ich Strafe verdient habe. Ich habe ja gesündigt, aber das ist zu viel!« Es war fast, als ob die eisige Ruhe, mit der Isentrud sich seit Jahren umgab, in dieser einen Sekunde zerbrochen war. Schluchzend kauerte sie auf dem Boden.
Fridrun stand wie erstarrt, dann packte sie die ältere Frau ohne Umschweife an den Schultern und zog sie auf die Füße. Isentrud leistete keinen Widerstand mehr und ließ sich willenlos in die Hütte schieben.
Dort drückte Fridrun ihre Freundin auf einen Schemel. Sie hätte ihr gern etwas Warmes eingeflößt, aber die Hütte war immer noch unwirtlich und wüst. Sie stemmte die Hände in die Seiten. »Isentrud, hörst du mir zu?«
Die Witwe des Imkers schüttelte den Kopf, aber sie sah trotzdem hoch.
»Heilige Muttergottes, du siehst entsetzlich aus!«, stellte Fridrun fest. »Wasch dir das Gesicht und zieh dir etwas anderes an, wenn du etwas da hast. So kannst du den Leuten nicht unter die Augen treten. Und ich werde sehen, wie ich Schutz für dich bekommen kann.«
»Nein …«
»Still! Ich habe schon einen Plan. Bleib einfach hier. Und sag nicht zu oft, dass du eine Sünderin bist, sonst glauben die Leute es noch.«
»Aber
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