Die Reliquie von Buchhorn
Farbe des mächtigen Schlachtrosses zu einem diffusen Graubraun verblasst war, hatte Wulfhard keinen Zweifel, den Fuchs vor sich zu haben. Vorsichtig tätschelte er den Hals des großen Tieres. Das Pferd scheute zurück, beruhigte sich dann aber. Wulfhard lächelte. »Hab ich dich.«
Das Rascheln von Stroh ließ ihn herumfahren. Er griff nach seinem Dolch, aber er war zu langsam. Eine Schwertspitze berührte kalt seinen Hals, und eine tiefe Stimme sagte mit einem beinahe belustigten Unterton: »Hab ich dich.«
Langsam ließ Wulfhard die Hand sinken. »Hunfried!«
»Und du bist einer der Begleiter unseres schlauen Mönchs. Was machst du hier? Bist du allein?«
Wulfhard hatte den ersten Schrecken abgeschüttelt. Im Schutz der Dämmerung tastete er erneut nach der Waffe in seinem Gürtel. »Klar.«
»Lüg nicht!«
»Na gut, dann habe ich eben eine Armee draußen. Ganz wie du willst.«
Die Schwertspitze näherte sich bedrohlich. »Wo sind deine Freunde? Wer ist bei dir?«
Wulfhard stieß einen übertriebenen Seufzer aus, während er versuchte, die Lage abzuschätzen. Die Waffe des anderen verließ keinen Moment seine Kehle, zudem überragte Hunfried ihn fast um Haupteslänge. »Nun gut, du hast gewonnen. Draußen sind der Mönch, Gerald, Ottmar von Altdorf, sein Waffenmeister und noch ein paar Soldaten.« Er grinste. »Reicht das?«
»Ottmar von Altdorf?« Hunfried lachte schnaubend und zog das Schwert ein Stück zurück. »Ein Welfe, der einem Buchhorner hilft? Eher friert die Hölle zu. Also besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass du allein bist. Sag mir einen einzigen guten Grund, warum ich dich nicht hier und jetzt abstechen soll.«
Wulfhard grinste. »Dein Pferd?«
Hunfried hob sein Schwert, doch im nächsten Moment stieß er einen Fluch aus. Wulfhard hatte seinen Dolch hervorgezogen und richtete ihn auf den Hals des Fuchses.
»Das wagst du nicht!«, stieß der große Krieger hervor, während er sein Pferd anstarrte, das ruhig dastand.
Wulfhards Gesicht war hart geworden. »Ich liebe Pferde, aber mein Leben liebe ich noch mehr. Und da ich annehme, dass dieses Tier dein wertvollster Besitz ist, sollten wir neu verhandeln, meinst du nicht?«
In Hunfrieds Zügen arbeitete es. »Meinetwegen. Bier?«
»Gern.«
Hunfried schob sein Schwert in die Scheide, Wulfhard steckte sein Messer in den Gürtel. Als sie aus dem Stall traten, sah Wulfhard sich unauffällig nach Gerald um. Er hätte den Schmied nicht gesehen, wenn er nicht gewusst hätte, wo er ihn suchen musste. Ohne das verabredete Winken folgte er Hunfried in die Herberge. Tu einmal in deinem Leben etwas Intelligentes, Schmied, dachte er.
Das Langhaus, das ursprünglich nach germanischem Vorbild gebaut worden war, war mit Zwischenwänden in mehrere Kammern unterteilt worden, von denen die größte als Schankstube diente. Hunfried bedeutete Wulfhard, an einem der Tische Platz zu nehmen.
Gleichzeitig humpelte eine alte Frau näher. Mit ihren langen grauen Haaren und den lückenhaften Zähnen sah sie aus wie eine Hexe, aber ihre Augen waren freundlich. »Noch ein Gast?« Sie musterte Wulfhard neugierig. »Oder ein Freund von Euch, Herr?«
Hunfried quittierte Wulfhards belustigtes Grinsen mit einer Grimasse. »Bringt uns Bier«, sagte er. Dann zog er das Schwert erneut aus der Scheide und legte es quer über den Tisch. Die Augen der alten Frau wurden groß, als auch Wulfhard sein Messer in Reichweite legte. Die beiden Männer musterten sich herausfordernd, während die Wirtin hastig zwei Bierkrüge holte, sie vor die beiden hinstellte und sich stumm zurückzog.
Wulfhard brach das Schweigen als Erster. »Wo ist Rodericus?«
»Wo ist Eckhard?«
»Am Leben.«
»Bruder Rodericus auch.« Ein kurzes Lächeln blitzte in Hunfrieds blauen Augen auf. »Er ist hier.«
»Freut mich zu hören.«
Hunfried tastete nach dem Krug, ohne Wulfhard aus den Augen zu lassen. »Deine Narben sind beeindruckend. Du scheinst ein Mann zu sein, der dem Ärger nicht aus dem Weg geht.«
»Da könntest du recht haben.«
»Das dachte ich mir.«
Auch Wulfhard trank einen Schluck. Das Bier war hervorragend. Er leckte den Schaum von den Lippen. »Wie geht’s weiter?«
»Sag du!«
»Lass Rodericus frei!«
»Er ist frei!«
Wulfhards Augen verengten sich ungläubig. »Wo ist er?«
»In seiner Kammer. Er schläft. Oder betet. Ich halte Letzteres für wahrscheinlicher.«
»Ich auch. Alle drei Stunden ein Gebet.« Wulfhard lächelte schadenfroh. »Ich weiß, dass er kein
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