Die Reliquie von Buchhorn
Ottmars Letzter Wille war klar!«
»Und mir gleichgültig!« Wulfhard hob das Kinn. »Er hat mich einen Mordhund genannt, den er totschlagen wollte. So viel zu meiner Ehrfurcht vor seinem Letzten Willen.« Die Wolken teilten sich, und der Mond überzog Wulfhards schmutziges, müdes Gesicht mit fahlem Licht.
Gernot biss sich auf die Lippen. »Ich sollte dich töten. Aber damit wäre nichts gewonnen.«
Eckhard schob sich zwischen die beiden Männer. »Recht hast du, Gernot. Und bei der Wunde dieses Toten gelobe ich, dass ich den Mörder finden werde.«
Gernot tastete nach der ausgestreckten Hand des Mönches und drückte sie. »Ich glaube Euch«, sagte er schlicht. »Und ich danke Euch. Ich wünschte nur, ich könnte dabei sein, wenn Ihr ihn zur Rechenschaft zieht.«
X
Die Buche schwirrte von Stimmen, doch Hannes’ Gesicht blieb nachdenklich. Immer wieder sah er zu der Gruppe hinüber, die sich seit mehreren Abenden am Ecktisch versammelte, wenig trank, dafür aber viel und heftig gestikulierte. Als Steffen, der ihm immer häufiger in der Wirtschaft zur Hand ging, die leeren Krüge auf dem Ausschank abstellte, deutete er auf die Runde. »Und? Worüber reden sie heute?«
»Das Gleiche wie gestern«, antwortete Steffen achselzuckend. »Isentrud. Dass sie schuldig ist. Dass sie hingerichtet werden soll. Das übliche Geschwätz.«
»Und Bertram wieder mittendrin?«
»Klar.« Steffen legte den Kopf schief. »Oheim, die Gäste warten. Die Bauern drüben haben Wein bestellt.«
Hannes nickte, aber er machte keine Anstalten, die Becher zu füllen. »Sie ist auf dem Anwesen des Grafen. Aber das bedeutet nicht, dass sie auch abgeurteilt wird. Eigentlich nicht einmal, dass sie verdächtig ist.« Der Wirt unterbrach sich. »Was gibt es da so frech zu grinsen, Junge?«
»Das klingt so, als ob ich bald eine Tante bekommen sollte«, meinte Steffen und stieß seinem Oheim gegen den Oberarm.
Hannes versetzte dem Jungen eine derbe Kopfnuss. »Halt bloß dein loses Mundwerk!« Mit abgewandtem Gesicht füllte er die Krüge und wischte ein paar Spritzer von der verschrammten Holzplatte. »Los, die Gäste warten! Da kommen schon wieder zwei!«
»Das ist Gisbert.« Steffen packte die Krüge mit beiden Händen, während seine Augen erwartungsvoll funkelten. »Das könnte spannend werden.«
Inzwischen hatte auch die Gruppe um Bertram die beiden Ankömmlinge bemerkt. Der Töpfer erhob sich halb und winkte. »He, Gisbert, setz dich zu uns. Und bring deinen Freund mit!«
Die beiden jungen Männer flüsterten kurz miteinander, und Gisberts Freund schüttelte den Kopf. Er wirkte kleiner und schmächtiger als der stämmige Stallbursche, mit listigen, hellen Augen. Eine Weile redete Gisbert auf ihn ein, aber der andere lachte nur und verließ wenig später die Schenke. Gisbert folgte der Einladung des Töpfers. Er schob sich grußlos an Steffen vorbei und zwängte sich dann auf die Bank zwischen den Zimmermann und den Fischer. »Gott zum Gruße, Freunde!« Er drehte sich um und winkte Steffen mit großer Geste näher. »He, Steffen, bring dem neuen Stallmeister was zu trinken, und zwar was wirklich Gutes. Und beeil dich!«
Die Männer um ihn herum wirkten überrascht, aber Bertram brachte sie mit einer heimlichen Handbewegung zum Schweigen. »Du bist also der neue Stallmeister? Da wird sich deine Anna aber freuen«, sagte er lächelnd.
Gisbert warf die strähnigen Haare zurück. »Und wie! Die kann die Hochzeit gar nicht erwarten.« Er stützte die Unterarme auf den Tisch und sah Steffen entgegen, der den Krug so vor ihn auf den Tisch stellte, dass der Schaum über den Rand floss.
»Da, du Angeber!«
Wütend wischte Gisbert sich die Hand ab. »Ich bin kein Angeber! Der Graf hat selber gesagt, dass ich gute Arbeit leiste!«
»Als Stallknecht! Wenn du den Grafen überhaupt gesehen hast. Aber ich«, er hielt Gisbert den Zeigefinger unter die Nase, »ich habe in Konstanz den König gesehen!«
Gisbert schlug seine Hand beiseite. »Lügner!«
Steffens geballte Faust schoss vor, aber ehe mehr passierte, packte Hannes von hinten seinen Unterarm und zog ihn weg. »Halt’s Maul, Junge«, warnte er. »Und ihr haltet den anderen im Zaum.«
Bertram nickte, während er Gisbert ein halbes Lächeln zusandte. »Hast es gehört, Gisbert. Wir trinken hier in Frieden unser Bier.«
Der Stallknecht schürzte die Lippen. »Aber er ist doch ein Lügner.«
»Erzähl uns lieber, was sich gerade auf dem Anwesen tut.« Bertram klopfte ihm auf die
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