Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Euch so leiden lasse.«
Rebekka wusste nicht, ob er es ernst meinte. Doch die Sorge um seine Familie wirkte echt. »Lasst mich frei. Ich werde ein gutes Wort einlegen bei Engelbert von der Hardenburg und beim König. Karl ist großmütig. Er wird verstehen, warum Ihr so handeln musstet.«
Vojtech lachte auf. »Karl duldet keinen Verrat. Er wird mich qualvoll sterben lassen und meine Familie verbannen. Ihr habt keine Ahnung, wozu Karl fähig ist, wenn er wütend ist. Er wird mir niemals vergeben.« Er spuckte auf den Boden. »Und er wäre ein Dummkopf, wenn er es täte.«
Rebekkas Blase schmerzte bereits. Aber sie sah eine Gelegenheit, Vojtech zu überreden, sie freizulassen. »Seht es doch mal so: Dieser Langenmann ist nicht gekommen. Was, wenn er tot ist? Oder kein Interesse mehr an dem Geschäft hat? Wenn er gemerkt hat, dass ich gar nichts wert bin? Wenn er über alle Berge ist und Eure Kinder in einem Verlies verhungern, weil niemand weiß, dass sie dort sind?«
Vojtech begann zu schwitzen. »Ich soll Euch laufen lassen. Und dann?«
»Dann erzählen wir eine ganz andere Geschichte: Ich habe Euch genötigt, mit mir zu gehen. Dann habt Ihr mir Eure Geschichte erzählt, und wir haben versucht, Langenmann zu fangen, was misslang, weil er nicht zum Treffpunkt gekommen ist. Töricht, ja, aber kein Verrat. Ich werde darauf bestehen, dass man Eure Familie findet.«
»Ihr unterschätzt von der Hardenburg, und Ihr überschätzt Eure Fähigkeiten. Er wird Euch so lange befragen, bis Euch schwindelig wird und Ihr die Wahrheit sagt. Vergesst es.«
»Es ist Eure einzige Chance, Vojtech. Alles andere bringt Euch und Euren Liebsten den Tod. Wollt Ihr das?« Rebekka biss sich auf die Unterlippe. »Adonai, hilf«, sagte sie tonlos.
Vojtech sprang auf. »Schweigt! Ich werde in Prag jemanden finden, der Langenmann kennt. Und dann werde ich seinen Auftraggeber ausfindig machen. Ihm werde ich Euch übergeben.«
***
Noch bevor sein Kammerdiener ihn wecken konnte, war Karl bereits wach. Er streifte sein Nachtgewand ab, verlangte nach kaltem Wasser, rieb sich den ganzen Körper damit ab und genoss das Prickeln auf der Haut. Ein neuer Tag brach an, ein guter Tag, denn heute würde er dem Geheimnis der »Hüter der Christenheit« vielleicht einen Schritt näher kommen. Ein guter Tag, weil Gott, der Allmächtige, ihm weitere Lebenszeit geschenkt hatte, weil er ihn vor der schrecklichen schwarzen Seuche geschützt hatte, ebenso wie vor seinen Feinden.
Die Pagen reichten Karl die Gewänder, einfache Kleidung, die ihn als Sendboten auswies. Der Lärm hinter der Zeltwand verriet, dass im Lager bereits rege Betriebsamkeit herrschte. Zelte wurden abgeschlagen, Pferde gesattelt, Vorräte verladen. Der Kammerdiener eilte herbei, eine dampfende Schüssel Hirsebrei in den Händen. Er verbeugte sich, kostete davon und gab die Schale Karl, der sich wie ein hungriger Wolf darüber hermachte. Honig und Nüsse waren darin und wohl abgeschmeckte Gewürze. Selbst aus einem Hirsebrei zauberte dieser Koch ein geschmackvolles Mahl.
Gegürtet und gestärkt trat Karl vor das Zelt. Sofort fielen die Männer auf die Knie. Karl tat es ihnen gleich. Nicht ihm sollte jetzt gehuldigt werden, sondern Gott. Natürlich war ein Geistlicher mit im Gefolge, aber Karl genoss es, die Männer auch im Gebet anzuführen, und im Feld verzichtete er gerne auf allzu viele Regularien.
»Lasst uns zur Ehre Gottes das Vaterunser beten.«
Alle schlugen das Kreuz. Karl begann, die Männer sprachen wie ein Echo nach. »Vater unser, der du bist im Himmel …« Rau trugen die Stimmen das Gebet durch den Wald, hier und da klirrte leise eine Rüstung.
Nach dem letzten Satz erhob sich Karl. »Heute werden wir Pasovary erreichen. Wir wissen nicht, was uns dort erwartet. Seid wachsam!«
Mehr gab es nicht zu sagen. Alle Männer waren bestens ausgebildet und hatten Erfahrung im Kampf. Karl schwang sich auf sein Pferd, reckte die Faust in den Himmel und galoppierte an. Seine Männer nahmen ihn in die Mitte. Der Tross würde nachkommen, er hinderte jetzt nur. Karl spürte sein Blut in den Adern pulsieren. Es tat gut, im Feld zu sein, die kalte Luft schärfte seine Wahrnehmung und erfüllte ihn mit klaren Gedanken.
***
»Macht, was Ihr wollt, aber lasst mich vorher meine Blase leeren, sonst sterbe ich.« Rebekka sah ein, dass sie Vojtech nicht überzeugen konnte. Also musste sie es auf anderem Weg versuchen.
Er zögerte.
Sie machte ein elendes Gesicht. »Ich bitte Euch.«
Vojtech
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