Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
seufzte tief und löste ihre Fußfesseln. Er zog sie hoch, doch sie knickte sofort ein, sodass er sie halten musste. Sie spürte ihre Füße nicht mehr, so sehr hatten die Fesseln ihr das Blut abgeschnürt. Aber sie spürte ihre Knie und den Körper ihres Entführers dicht an ihrem eigenen.
Mit voller Wucht zog sie das rechte Knie zwischen Vojtechs Beine, genau so, wie sie es bei von der Hardenburg gemacht hatte. Er fiel ohne einen Laut um, wie ein gefällter Baum. Auch Rebekka geriet auf ihren wackeligen Füßen aus dem Gleichgewicht und stürzte.
Vojtech hielt sich das Gemächt und röchelte.
Rebekka konzentrierte sich. Sie musste ihre Hände frei bekommen, bevor Vojtech wieder zu Kräften kam. Sie schob sich an Vojtechs Seite. Mit den Fingerspitzen zog sie sein Schwert ein Stück aus der Scheide, dann ließ sie ihre Fesseln an der Klinge entlanggleiten. Heißer Schmerz durchzuckte ihre Hand. Etwas Flüssiges lief über ihre Finger. Zu weit unten. Sie versuchte es ein Stück weiter oben. Jetzt spürte sie den Widerstand des Seiles an der Schneide. Nur dreimal musste sie ihre Fesseln bewegen. Die Klinge war scharf wie ein Rasiermesser. Rasch rollte sie sich weg. Ihre Hände waren ebenfalls taub, doch dafür spürte sie ihre Füße wieder. Sie schüttelte die Arme, damit das Blut in die Hände gelangte.
Vojtech lag noch immer in derselben Haltung und stöhnte leise vor Schmerz. Rebekka musste ihn noch besser getroffen haben als von der Hardenburg.
Rebekka krabbelte zu dem Wachmann hin, zog das Schwert aus der Scheide und hielt es ihm vor die Nase. »Könnt Ihr mich hören?«
Er nickte schwach.
»Ihr hättet eigentlich den Tod verdient!« Sie wartete. Vojtech reagierte nicht. »Aber meine Religion verbietet es mir, einen wehrlosen Menschen zu töten. Allerdings habt Ihr die Möglichkeit vertan, Reue zu zeigen und um Verzeihung zu bitten. Ich werde Euch den Wein und das Wasser hierlassen, das ihr noch am Gürtel tragt. Aber ich werde Euch einsperren. Und solltet Ihr mir noch einmal über den Weg laufen, dann seid gewiss: Ich werde Euch nicht schonen.«
Vojtech wälzte sich auf die andere Seite, machte aber keinerlei Anstalten, sich zu erheben.
Rebekka ging zur Tür, drehte sich noch einmal zu Vojtech um. »Ich werde für Eure Frau und Eure Kinder beten. Ich hoffe, sie werden leben, denn sie tragen keine Schuld an Euren Verbrechen.«
Vojtech stöhnte auf, streckte eine Hand nach Rebekka aus.
»Es ist zu spät«, flüsterte sie und trat hinaus.
Sonnenstrahlen fielen auf ihr Gesicht. Die Luft war kalt und klar und würzig. Ein Hochgefühl durchströmte sie. Noch nie war die Sonne schöner gewesen.
Sie schloss die Tür der fensterlosen Hütte von außen und warf das Schwert in ein Gebüsch. Vojtech war ein starker Mann. Er würde einen Weg finden, sich zu befreien. Aber es würde dauern.
Vila schnaubte, als sie Rebekka sah, ihr Atem gefror in der Morgenluft. Rebekka legte ihren Kopf an den warmen Hals, doch nur für einen Augenblick. Dann trat sie ins Unterholz und erleichterte sich.
Zurück auf der kleinen Lichtung, hielt sie inne und horchte. Aus der Hütte drang ein dumpfes Poltern. Vojtech war wieder halbwegs bei Kräften. Rebekka schloss kurz die Augen, rief sich die Karte ins Gedächtnis, dann saß sie auf. Es gab niemanden, dem sie noch traute. Doch das würde sie nicht davon abhalten, ihren Weg zu finden.
***
Gegen Mittag stießen sie am vereinbarten Ort auf die Kundschafter. Kein Feind war weit und breit auszumachen gewesen, die Burg hatte einen leicht schäbigen, aber durchaus friedlichen Eindruck gemacht. Wie befohlen waren sie, ohne sich bemerkbar zu machen, wieder aufgebrochen.
Karl war zufrieden. Sein Misstrauen war unberechtigt gewesen. Und wenn er Amalie Belcredi auf der Burg fand, oder zumindest einen Hinweis auf ihren Verbleib, dann wäre das Unternehmen ein voller Erfolg.
»Wir rücken ein«, befahl er und setzte sich in Bewegung.
»Herr, auf ein Wort!« Sein Hauptmann brachte sein Pferd neben ihn. »Wir sollten außerhalb von Pasovary lagern. Die Burg ist nicht zu verteidigen. Wenn wir in den Mauern übernachten, sitzen wir wie die Maus in der Falle.«
»Aber die Kundschafter haben niemanden ausgemacht«, entgegnete Karl. Ungeduld war immer ein schlechter Ratgeber, das wusste er, aber auch zu großes Zaudern konnte Pläne zum Scheitern bringen. Er musste den richtigen Zeitpunkt zum Handeln wählen. War es zu früh?
»Männer könnten sich vergraben haben. Erinnert Ihr Euch an den
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