Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Mauern. Dann spannen wir ein neues Dach darüber, Holz gibt es genug, so erhalten wir einen großen Raum, den wir unterteilen können. Für Euch werde ich eine eigene Kammer einrichten lassen, mit einer Feuerstelle und einem Badezuber. Den Bergfried werden wir als Küche nutzen. Also lasst uns nicht zaudern.« Er senkte die Stimme. »Habt keine Sorgen, Rebekka, Ihr seid nicht allein.«
»Ich dachte, wir bleiben nur wenige Tage? Bis wir den Schlüssel gefunden haben?«
Engelbert schüttelte langsam den Kopf. »Der Schnee liegt zu hoch, um gleich wieder umzukehren. Wir können von Glück sagen, dass wir heil hier angekommen sind. Und es schneit noch immer. Der Winter hat Böhmen fest in seinem Würgegriff. Ich fürchte, wir werden den Rest des Januars hier verbringen, vielleicht noch länger.«
Er wartete keine Antwort ab, sondern rief den Männern Befehle zu. Einige schwärmten aus, die anderen nahmen Rebekka wieder in ihre Mitte. Benommen ritt sie an Bohumirs Seite auf Pasovary zu. Trotz ihrer Trauer hatten die Worte des Ordensritters sie getröstet. Sie sah Blumen an den geschwärzten Mauern emporwachsen, hörte das Murmeln eines Baches, hörte Kinderlachen und die Stimmen eines Rabbis und eines Priesters, die sich gegenseitig aus ihren heiligen Büchern vorlasen und anschließend im angeregten Disput ihre Meinungen austauschten.
Elle für Elle näherten sie sich den Mauern. Rebekka stellte fest, dass Pasovary eine schöne Burg gewesen sein musste. Sie war nicht auf Kampf und Verteidigung ausgelegt gewesen. Die Mauern waren schlank und geschwungen, Gebäude schmiegten sich aneinander, das Tor war weit und mit einem hohen Bogen versehen, keine Pechnasen drohten mit Tod und Verderben. Dennoch waren Tod und Verderben hier eingedrungen und hatten alles dem Erdboden gleichgemacht.
Sie ritten auf den Hof, der an die hundertfünfzig Fuß breit war. Karls Truppen hatten ihn bereits weitgehend von Trümmern befreit. Die Mauern zweier Gebäude und Teile der Außenmauer waren mit Fichtenstämmen abgestützt. Der Ordensritter schwang sich vom Pferd und zeigte darauf. »Achtet auf die baufälligen Wände. Sie könnten leicht einstürzen und Euch unter sich begraben.«
Er winkte Rebekka zu sich. »Ihr seid jetzt sozusagen Gräfin von Pasovary«, flüsterte er. »Nehmt also in aller Stille Besitz von Eurer Burg.«
Sie betrat den Palas. Bohumir postierte sich außen vor der Mauer, Engelbert folgte ihr.
Der Ordensritter holte tief Luft. »Sprecht mir nach: ›Ich, Amalie Belcredi, Gräfin von Pasovary‹ …«, er nickte ihr aufmunternd zu.
Stockend wiederholte Rebekka den Satz. Er klang falsch und richtig zugleich.
»… nehme hiermit als rechtmäßige Erbin …«, fuhr der Ordensritter fort.
»Aber, sind sie denn wirklich tot? Was wisst Ihr?«
»Ich weiß es nicht. Sicher ist nur, dass sie zurzeit nicht die Herrschaft über die Burg ausüben können. Und dass niemand wissen darf, wer Ihr seid.«
Rebekka schaute sich um. Vielleicht würde sie eines Tages hierher zurückkommen und alles zum Blühen bringen. Ja, das war ein gutes Gefühl, ein gutes Ziel. Entschlossen sprach sie die Formel nach: »… nehme hiermit als rechtmäßige Erbin …«
Der Ordensritter schien erleichtert. »… Burg Pasovary und all seine Ländereien und Lehen in Besitz. Ich schwöre, gerecht zu sein, dem König zu geben, was des Königs ist, und Gott immer zu ehren.«
»… und Gott immer zu ehren.«
Der Ordensritter kniete nieder, schwieg.
Rebekka wusste nicht, was sie tun sollte. »Und jetzt?«
»Jetzt legt Ihr mir eine Hand auf den Kopf und sagt: ›Erhebt Euch, Engelbert von der Hardenburg, Ritter von Pasovary.«
Rebekka verstand nicht, was er wollte. »Wozu? Erklärt mir doch, was Ihr vorhabt.«
»Tut einfach ein einziges Mal, was ich sage, ohne Fragen zu stellen. Es wird Euch nicht schaden.« Der Ordensritter klang so ernst, dass Rebekka nicht wagte, Einwände zu erheben.
»So erhebt Euch, Engelbert von der Hardenburg, Ritter von Pasovary.«
Der Ordensritter erhob sich, lächelte, wie Rebekka ihn noch nie hatte lächeln sehen: zufrieden mit sich und mit der Welt im Reinen.
Er wischte sich den Staub von seinem Umhang. »Jetzt bin ich Euer Ritter und bei meinem Leben verpflichtet, Euch zu dienen. Dieser Bund ist geschlossen vor Euch, vor mir und vor Gott, dem Allmächtigen, und unverbrüchlich.«
Rebekka trat einen Schritt zurück. »Ihr schwört Karl ab?«
Der Ordensritter lachte. »Dem Teufel schwört man ab, Gräfin. König
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