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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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und zog eines heraus. »Bisher hatte ich nur davon gehört, dass Ihr hier solche Schätze verwahrt. Sie zu sehen und in der Hand zu halten ist ein ganz besonderes Vergnügen.«
    Rebekka nahm ebenfalls einen Folianten aus dem Regal, blätterte darin, erkannte den Text und musste schlucken. Es waren Aufsätze von Rabbi Meir ben Baruch von Rothenburg, die sie mit Rabbi Isaak gelesen und besprochen hatte. Mit voller Wucht traf die Trauer sie, ihre Knie gaben nach, sie griff in die Luft, verlor den Halt, aber schon war von der Hardenburg bei ihr und stützte sie.
    »Ihr solltet Euch hinsetzen und etwas ausruhen, Rebekka.« Er führte sie zu einem Stuhl. Sie nahm dankbar Platz, und gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass von der Hardenburg ihren jüdischen Namen ausgesprochen hatte. Und er hatte es nicht einmal bemerkt.
    Noah ben Solomon sah sie mit gerunzelter Stirn an, dann musterte er das Buch, das sie noch immer in der Hand hielt. »Was ist so atemberaubend an diesem Text, meine Tochter?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, sagte er einen Satz auf Hebräisch: »Wenn du eine von uns bist, will ich es für mich behalten.«
    Rebekka antwortete in derselben Sprache: »Er weiß Bescheid.«
    Noah ben Solomon wechselte wieder ins Deutsche. »Hardenburg! Ihr hättet es mir ruhig sagen können.«
    »Es tut nichts zur Sache«, erwiderte Engelbert ungeduldig. Rebekka war sich sicher, dass er sich maßlos über seinen Fehler ärgerte.
    Noah ben Solomon lächelte. »Ja, so sollte es sein: dass der Glaube der Menschen nicht über Leben und Tod entscheidet, sondern nichts zur Sache tut. Aber so ist es nun einmal nicht.« Er wandte sich wieder Rebekka zu. »Ihr seid nicht hier, um in meinen Manuskripten zu stöbern. Wie kann ich Euch helfen?«
    Engelbert kam ihr zuvor. Er zog die kleine Bibel hervor. »In diesem Buch steckt ein Geheimnis. Ein verschlüsselter Text.«
    »Ah!« Noah nahm die Bibel, blätterte, ließ sich nichts anmerken. »Setzt Euch«, sagte er zu von der Hardenburg. »Ich brauche etwas Zeit.« Noah trat an sein Schreibpult, legte die Bibel darauf, nahm ein Pergament, fuhr mit dem Finger über die Zeilen und schrieb eifrig. »Das kann dauern …«, murmelte er.
    Es klopfte. Eine junge Frau brachte einen Krug Wein und drei Becher. Wortlos verschwand sie wieder.
    Noah beachtete sie kaum. »Interessant«, sagte er und kratzte sich am Kopf. »Aber warum so … aha …« Nach einer Weile sah er auf, sein Blick verlor sich in der Ferne. »Nehmt Euch besser etwas zu lesen«, sagte er, ohne sich Rebekka und von der Hardenburg zuzuwenden. Dann verfiel er wieder in Schweigen. Nur das Rascheln des Pergaments und das Schaben seiner Feder waren noch zu hören.
    Rebekka starrte eine Weile lang gedankenverloren auf die Dielen zu ihren Füßen und fiel schließlich in eine Art Halbschlaf, aus dem sie immer wieder hochschreckte. Bilder tanzten vor ihren Augen. Die Novizin Hiltrud sah sie plötzlich vor sich, die junge Frau, die ebenso entwurzelt war wie sie selbst. Was mochte wohl aus ihr geworden sein? Lebte sie überhaupt noch? Burg Mesenice erschien. Ihre alberne Flucht. Vojtech, der sie fast ins Verderben gestürzt hatte. Bohumir Hradic, den sie seit Mesenice nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Was mochte er von ihr denken? Immer schneller kamen und gingen die Bilder, bis Rebekka sie nicht mehr auseinanderhalten konnte, bis sie zu einem bunt schillernden Regenbogen verschwammen.
    »Rebekka!« Von der Hardenburgs Stimme.
    Sie öffnete die Augen. Es war bereits dunkel, Noah ben Solomon hatte Talglichter entzündet. Er stand vor ihr und hielt ihr ein Pergament vor die Nase, auf dem sich eine endlose Kolonne Ziffern aufreihte.
    LXXXVIICIXIVCLVLXXXVIICXLXXXVIICXLVIXICCXVIIXCIV …
    »Diese Ziffern waren im Text der Bibel versteckt«, erklärte er. »Ich habe alle gängigen Entschlüsselungsmethoden ausprobiert – ohne Ergebnis. Die Zahlen stehen für Buchstaben, so viel steht fest, aber solange ich die Ziffern nicht trennen kann, hilft mir das nichts.«
    Rebekka rieb sich die Augen, damit sie klar sehen konnte, und prägte sich die Kolonne ein. »Die Ziffern trennen? Was bedeutet das?«
    Noah sah sie an. »Die Ziffern folgen einfach aufeinander. Ich weiß also nicht, wo die eine Zahl aufhört und die nächste anfängt. Oder wie viele davon zusammen ein Wort bilden. Es muss einen Schlüssel geben, der genau das verrät. Eine zweite Zahlenreihe vermutlich, aus der hervorgeht, wie viele Ziffern jeweils eine Zahl bilden.«
    »Und dann?«
    »Dann

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