Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Schulden?«
»Auch das ist richtig.«
Dietz machte ein betrübtes Gesicht. »Das heißt, ich habe Schulden? Wie kann das sein, mein Geschäft geht wunderbar!«
»Nur keine Angst.« Johann reichte ihm ein weiteres Pergament. »Was steht hier drauf?«
Dietz kniff die Augen zusammen, Johann schnalzte mit der Zunge.
»Moment, gleich habe ich es.« Dietz legte einen Finger auf die linke Spalte. »Es fällt mir wieder ein. Das ist die Liste derjenigen, die mir Geld oder Waren schulden.«
»Dietz, du bist wirklich ein eifriger Schüler. Und jetzt musst du allein herausfinden, wie reich oder«, Johann senkte dramatisch die Stimme, »wie arm du bist.«
Dietz schüttelte sich wie ein nasser Hund. »Ich glaube, das will ich gar nicht wissen. Solange ich genug Silber im Beutel habe, ist doch alles in Ordnung.«
Johann zeigte nur mit strengem Blick auf eine Wachstafel und einen Griffel. »Einen Monat Schenkenverbot, wenn du die Aufgabe nicht löst!«
Dietz stöhnte. »Du bist ja grausamer als die Benediktiner.«
»Davon kannst du ausgehen. Los jetzt!« Johann drückte Dietz den Griffel in die Hand.
Der Kaufmann stellte sich ans Schreibpult und begann, die ersten Ziffern auf die Wachstafel zu übertragen. Schon bald brach ihm der Schweiß aus.
Fast tat er Johann leid, aber er musste hart bleiben. Nur so konnte sein Freund lernen, nur so konnte er irgendwann seine Bücher allein führen.
Dietz blickte auf, wischte sich den Schweiß von der Stirn und betrachtete den Griffel. »Bei diesen ganzen verfluchten Zahlen den Überblick zu behalten, das ist schwerer, als einen Sack Flöhe zu hüten.«
Johann schmunzelte. »Das kommt dir nur am Anfang so vor, später ist es ganz leicht. Lass sehen, zu welchem Ergebnis du gekommen bist.«
Dietz wurde rot und übergab Johann die Tafel. Achthundertvierundneunzig Pfund Silber. Die Schrift war etwas krakelig, aber das Ergebnis war richtig. Dietz war, wenn er alle seine Außenstände eintrieb und all seine Schulden zahlte, ein reicher Mann. Und er könnte noch viel reicher sein, wenn er wollte.
Johann schlug ihm auf die Schulter. »Dietz, du hast alles richtig berechnet. Ich bin stolz auf dich!«
Sofort hörte Dietz auf zu schwitzen, seine Mundwinkel schnellten nach oben. »Wirklich? Ganz ehrlich?«
»Aber ja. Du bist ein reicher Mann und hast es nicht gewusst.«
»Ich habe es geahnt.«
Johann räusperte sich. »Willst du noch reicher werden? Ohne irgendetwas zu verkaufen?«
Dietz wurde ernst. »Kannst du zaubern? Dreck zu Gold machen?«
»So etwas Ähnliches. Ich könnte bessere Zinsen für dich aushandeln.«
Dietzs’ Miene verfinsterte sich. »Zinsen sind des Teufels! Lass mich damit in Ruhe!«
Johann ließ sich nicht beirren. »Natürlich sind sie des Teufels. Das ist es ja gerade. Lass es mich erklären.« Er nahm ein Stück altes Pergament, das vom vielen Abschaben hauchdünn geworden war, und zeichnete das Symbol einer Waage mit zwei Waagschalen darauf. »Du hast in den letzten Jahren ein Gespür für die richtige Ware am richtigen Ort gehabt. Und Glück dazu. Allerdings ist der größte Teil deines Geldes in Form von Kreditbriefen an deine Kunden gebunden. Deshalb musst du für den Kauf neuer Ware Geld leihen. So weit, so gut. Für das Geld, das du leihen musst, bezahlst du Zinsen, deine Kunden aber zahlen dir keine Zinsen, weil du keine nehmen darfst und auch nicht willst . Verstanden?«
Dietz nickte.
Jetzt musste Johann die entscheidende Frage stellen. Sie hatten noch nie darüber gesprochen. »Wie hältst du es mit den Juden, Dietz?«
In Dietz’ Augen blitzte es auf. »Du meinst, ich soll meine Forderungen an die Juden verkaufen? Damit die von meinen Kunden Zinsen verlangen können?«
»Du bist in der Tat ein sehr gelehriger Schüler. Frag dich doch mal, was deine Kunden machen würden, wenn du plötzlich kein Geld mehr hättest. Würden sie dir helfen? Würden sie dich in ihrem Haus aufnehmen? Dir einfach so ein paar hundert Pfund Silber leihen, damit du dein Geschäft wieder aufbauen kannst?«
Dietz kaute auf der Unterlippe. »Eher nicht.«
»Siehst du? Du musst vorsorgen. Sollten die Geschäfte einmal schlechter gehen, was Gott verhüten möge, musst du ein finanzielles Polster haben. Und noch ein Punkt: Wenn die Juden deine Forderungen verwalten, kann es dir egal sein, ob jemand pleitegeht oder nicht.«
»Aber die Juden …« Dietz senkte den Blick.
»Ich kann mit ihnen reden. Es wäre für beide Seiten ein gutes Geschäft. Schau! Gott hat uns die
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