Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
mit durchfüttern.
Innerhalb kürzester Zeit entschlüsselte Fulbach die neue Nachricht. Langsam wurde es spannend. Sie hatten außerhalb der Mauern, von dem Geheimgang abzweigend, in dem Karl sich während des Feuers versteckt hatte, einen unversehrten unterirdischen Raum freigelegt, der voll war mit Büchern und Dokumenten. Fulbach ballte die Hände zu Fäusten. Dieser verfluchte Geheimgang war schuld, dass sein größter Erfolg sich in seine größte Niederlage verwandelt hatte. Er war nicht nur geschlagen, sondern auch enttarnt.
Aber es half nichts, sich über verschüttete Milch zu ereifern. Das Blatt würde sich schon sehr bald zu seinen Gunsten wenden. Es klopfte. Jaroslav trat ein.
»Was gibt es?«, herrschte Fulbach ihn an. Er hasste es, in seinen Überlegungen unterbrochen zu werden.
»Ein Bote hat sich bis zu uns durchgeschlagen. Bei allen, was recht ist, ein wahrhaft tapferer Mann, der keinen Schmerz kennt und keine Angst. Halb erfroren hat er mir dies hier überreicht.« Jaroslav zog einen Brief hervor.
Schon am Siegel erkannte Fulbach den Absender. Es war Abt Remigius. Fulbach erbrach das Siegel, entfaltete das Pergament und las die wenigen Zeilen. Fast hatte er damit gerechnet, aber jetzt, da es zur Gewissheit wurde, traf es ihn doch wie ein Brandpfeil.
Remigius, Albert und Reinhard kündigten ihren Bund auf. Die Lage im Reich habe sich so sehr zugunsten Karls verschoben, dass sie nicht länger Gottes Willen leugnen konnten und wollten. Diese Narren. Gottes Willen konnte man weder leugnen noch beiseitewischen, aber genau das versuchten diese Feiglinge. Diese Hasenfüße! Diese Zauderer! Diese Verblendeten! In die tiefste Hölle würden sie gestürzt werden, denn Gottes Wille war es, dass er die Reliquie fand und mit ihrer Hilfe die Christenheit vor inneren und äußeren Feinden schützte, indem er sich zum Vertreter Gottes auf Erden machte! Sobald er die Reliquie in den Händen hielt, würde er die Macht haben, Karl vom Thron zu fegen und die drei Verräter spüren zu lassen, was Schmerz bedeutete. Das war Gottes Wille!
***
Seit über zwei Wochen arbeiteten sie sich nun schon durch die Bücher und Schriftrollen. Matyas Romerskirch hatte mehrfach seine Hilfe angeboten, doch Engelbert hatte ihn, trotz Bohumirs Warnungen, brüsk zurückgewiesen.
»Ich will nicht, dass dieser Schnüffler uns auf der Pelle hockt«, hatte er hervorgestoßen. »Ich will offen reden und nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen müssen.«
»Das will ich auch«, hatte Bohumir erwidert. »Doch noch mehr will ich, dass dieser Mann keinen Groll gegen uns hegt. Er ist gefährlich.«
Natürlich hatte Engelbert sich durchgesetzt.
Rebekka hatte ein Regal durchgearbeitet, in dem ein Psalterium neben dem anderen stand. Es waren Dutzende. Manche überaus kostbar, manche ganz schlicht. Das ganze Regal fasste ausschließlich Psalterien. Aber wozu war das gut? Die Bücher sahen nie das Tageslicht, niemand konnte etwas damit anfangen.
Sie erschrak, als jemand ihre Schulter berührte. Es war Bohumir, der ihr ein Holzbrett hinhielt. Der Anblick der Köstlichkeiten darauf machte sie schwindeln. Ihr Blick fiel auf frisches Brot und eine Schale mit gebratenem Fleisch, das in einer köstlichen Soße mit Mohrrüben und Fettaugen schwamm.
»Haben die Bauern uns schon wieder mit ihren besten Stücken versorgt?« Rebekka nahm einen Kanten Brot und tunkte ihn in die Soße. Langsam öffnete sie den Mund, ließ den Duft in die Nase steigen, bis sie es nicht mehr aushielt. Sie kaute, schluckte, es schmeckte unglaublich gut.
»Sie glauben, dass die Herrschaft zurückgekehrt sei. Sie lassen es sich einfach nicht ausreden. Aber keine Sorge, sie haben gutes Geld für die Ware bekommen.«
Rebekka hörte auf zu kauen, ihr wurde heiß. Das Gerücht, die Herrschaft sei auf Pasovary zurückgekehrt, hielt sich hartnäckig. Fast so, als hätte es jemand in die Welt gesetzt, der die Wahrheit kannte. Sie betrachtete Bohumir, während sie ein Stück Fleisch nahm. Er wusste, dass sie Jüdin war. Mehr nicht. Zumindest hoffte sie das. Würde er sie verraten, wenn er wusste, dass sie Amalie Belcredi war?
Sie leckte sich die Finger ab und rundete die königliche Mahlzeit mit einem langen Zug aus dem Becher ab, der mit klarem Wasser gefüllt war. »Ich danke Euch vielmals, Bohumir, ich hätte glatt vergessen, zu essen und zu trinken, und wäre wahrscheinlich irgendwann einfach umgefallen.«
»Und das können wir uns nicht leisten. Wir brauchen Euch noch.«
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