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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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noch härter prüfen, das war es. Schließlich war Gott selbst es gewesen, der ihm diesen Platz gewiesen hatte.
    All diese Prüfungen würde er leichter durchstehen, wenn Blanche noch an seiner Seite wäre, doch ausgerechnet in diesem Frühjahr war sein Weib gestorben. Niemals hätte er gedacht, dass ihr Verlust eine so große Lücke in sein Leben reißen würde. Blanche war ihm auf eine seltsame Art vertraut gewesen; er hatte sie seit Kindertagen gekannt, sie waren gemeinsam am französischen Hof aufgewachsen, und er teilte viele Erinnerungen mit ihr. Er konnte sich nicht an eine Zeit erinnern, in der sie nicht Teil seines Lebens gewesen war. Sie fehlte ihm.
    Mit seiner neuen Gemahlin Anna verband ihn nichts. Immerhin war sie schnell schwanger geworden, bereits Anfang des neuen Jahres würde sie niederkommen und ihm, so Gott wollte, endlich den ersehnten Sohn gebären.
    Auf dem Hradschin angekommen, zog sich Karl in seine Gemächer zurück und ließ den Schreiber kommen. »Noch keine Nachricht von unserem Ordensritter?«, fragte er und rieb sich die durchgefrorenen Hände.
    »Leider nicht, Eure Majestät. Engelbert von der Hardenburg hat noch nichts von sich hören lassen.« Der Schreiber deutete ein Achselzucken an. »Vielleicht ist er auf unerwartet harten Widerstand gestoßen. Der Abt der Nürnberger Dominikaner soll ein eigenwilliger Mann sein.«
    Karl ballte ungeduldig die Faust. »Was meint Ihr, weshalb wir von der Hardenburg mit dieser Mission betraut haben? Er hat uns bisher noch alles herangeschafft, was wir ins Auge gefasst haben.« Ärgerlich scheuchte er den Mann fort.
    Als er allein war, öffnete er eine Truhe und zog ein mit kunstvollen Schnitzereien versehenes Kästchen aus Ebenholz hervor. Behutsam hob er den Deckel an. Eine kleine Phiole aus venezianischem Glas lag darin, eingebettet in ein Tuch aus rotem Samt. Auch in der Phiole leuchtete es rot, oder vielmehr rotbraun. Sanft fuhr Karl mit den Fingerspitzen über das kalte Glas. Sofort spürte er die ungeheure Kraft, die von dem Inneren des winzigen Gefäßes ausging, die Kraft des Allmächtigen, des Schöpfers von Himmel und Erde. Die Phiole enthielt einige wenige Tropfen der kostbarsten Flüssigkeit der Menschheit: das Blut Christi, das Blut, das der Sohn Gottes vergossen hatte, als man ihm die Lanze in die Seite stieß.
    »Herr, verleih uns Stärke, lass uns nicht fehlgehen, lass uns unser Reich mit Weisheit und Ehrfurcht vor deiner göttlichen Allmacht regieren!«, hauchte Karl. »Behüte uns, auf dass wir und unsere prächtige Stadt Prag vor der großen Pestilenz verschont bleiben mögen, die überall im Reich grassiert. Schenk uns Mut und Ausdauer, auf dass wir den wahren Glauben immer und überall vor seinen Feinden verteidigen können!« Er führte die Phiole an die Lippen, küsste sie vorsichtig und bettete sie behutsam wieder in die Schatulle. Sie war sein kostbarster Schatz.
    Doch es gab noch mehr solcher Schätze, die er unbedingt besitzen musste. Einen versteckten die Schwestern der Prämonstratenser der Stadt Znaim in den Mauern des Klosters Louka. Dem würde er sich als Nächstes widmen. Und dann gab es da noch den größten Schatz der Menschheit, die Reliquie aller Reliquien. Sie in seinen Besitz zu bringen, war sein dringlichstes Begehren. Um sie zu besitzen, würde er Himmel und Erde in Bewegung setzen, und nichts und niemand konnte ihn daran hindern.
***
    Der Ordensritter stöhnte, als Rebekka behutsam den Verband abrollte. Der Wagen ruckelte stark, die Straße war uneben, voller Schlaglöcher, und der Schneematsch tat ein Übriges, um das Fortkommen zu erschweren. An einem Fluss entlang ging es auf die Königsstadt Neu Pilsen zu, von der aus es angeblich nicht mehr weit war bis Prag.
    »Habt Ihr Schmerzen?«, fragte Rebekka und hielt einen Moment inne.
    »Nicht der Rede wert«, flüsterte der Gotteskrieger. »Ihr gebt Euch Mühe, das weiß ich. Es muss sein. Macht weiter. Ich danke Euch.«
    Rebekka wunderte sich über die vielen Worte. Bisher hatte sie von ihm nur erfahren können, dass er auf den Namen Engelbert von der Hardenburg hörte, ein Ritter des Deutschen Ordens war und ebenfalls in Nürnberg zu tun gehabt hatte. Der Ordensritter war verschwiegen, und das war ihr recht gewesen, denn so hatte auch sie nicht viel reden müssen. Jedenfalls musste Engelbert von der Hardenburg ein mächtiger Mann sein, denn als sie gestern in der Stadt Mies gerastet hatten, wollten die Kaufleute ihn zurücklassen, doch der Ordensritter hatte

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