Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Übelkeit in ihr aufsteigen.
Bis zum Einbruch der Nacht ging es gut voran auf der breiten Landstraße. Es war kalt, aber trocken, der Untergrund war hart und gut zu befahren. Als es dunkel wurde, schlugen sie am Wegesrand ein Lager auf. Sie entzündeten Feuer, bereiteten Essen zu und bauten die Zelte auf. Rebekka ließ sich auf einem Stein nieder, kaute an einem Brotkanten und beobachtete das Treiben. Langurius hatte zwei Zelte unmittelbar neben seinen drei Wagen aufgeschlagen, eins für sich und seine beiden Knechte und ein kleineres für Rebekka. Die Pferde waren ausgespannt worden und grasten, die Männer saßen um die Feuer herum und redeten. Etwas abseits, dicht am Waldrand, hatten die Hübschlerinnen ihr Zelt aufgeschlagen. Im Inneren brannte Licht. Schemenhaft waren die Konturen zweier Menschen beim Liebesspiel durch die dicke Leinwand zu erkennen. Rebekka fröstelte und wandte sich ab. Zu sehr erinnerte sie der Anblick an Hermo Mosbach und an die Gefahr, in der sie immer noch schwebte.
Am dritten Tag begann es gegen Mittag leise zu schneien. Zuerst fielen nur vereinzelte Flocken aus dem bleigrauen Himmel, doch allmählich wurde der Schneefall dichter. Rebekka saß neben einem der Knechte auf dem Bock, den Lodenmantel eng um sich geschlungen. Kurz nachdem sie von Nürnberg aufgebrochen waren, hatten sie einige kleinere Städte und Dörfer passiert, aber seit gestern waren sie keiner Menschenseele mehr begegnet. Die Landschaft wirkte rau und unwirtlich, die Wälder schienen allein von den Geistern und Dämonen bevölkert, von denen die Männer abends am Feuer erzählten. Doch mit jeder Meile, die sie sich von Nürnberg entfernten, schwand Rebekkas Angst vor Entdeckung. Auch gewöhnte sie sich allmählich an die christlichen Speisen. Das Wissen, dass sie nicht von einer jüdischen Mutter geboren und daher keine Jüdin war, erleichterte es ihr, die Gebote, nach denen sie seit ihrer Kindheit gelebt hatte, zu übertreten – zumindest, soweit dies notwendig war, um nicht aufzufallen.
Einige Dinge brachte sie jedoch nicht über sich. So hatte sie es bisher vermieden, Schweinefleisch anzurühren, und wenn es irgend ging, wusch sie ihre Hände vor dem Essen in einem fließenden Gewässer. Sie war überrascht, wie unrein die meisten Christen waren, vor allem die Männer. Der Gestank, der von ihnen ausging, erinnerte sie an Ziegenböcke.
Plötzlich ertönten vom Anfang des Zuges her laute Rufe. Die Wagen blieben stehen, einer der Söldner preschte auf seinem Pferd heran. »Ein Überfall! Tote und geplünderte Wagen vor uns auf der Straße!«
»Verflucht!«, rief Langurius und gab seinem Pferd die Sporen. Gemeinsam mit dem Söldner und zwei weiteren Kaufleuten sprengte er an die Spitze des Zuges.
Unruhe kam auf, immer mehr Männer liefen oder ritten nach vorn, um zu sehen, was geschehen war. Schließlich hielt auch Rebekka es nicht mehr aus. Sie kletterte vom Wagen und folgte den Männern. Als sie um eine Wegbiegung kam, hielt sie entsetzt inne. Wagen lagen umgestürzt auf der Straße, einige waren ausgebrannt. Männerleichen und Pferdekadaver verteilten sich zwischen den Gefährten, alle blutüberströmt, manche mit unnatürlich verrenkten Gliedmaßen. An einigen Körpern hatten sich bereits die wilden Tiere gütlich getan, sie hatten ihre Zähne in die Bäuche gehauen und die Eingeweide herausgerissen.
Die Söldner und Kaufleute liefen zwischen den Leichnamen umher, um nach möglichen Überlebenden zu suchen.
»Hier rührt sich nichts mehr«, stellte schließlich einer fest. »Wir müssen sie wegschaffen, die Straße frei machen und sehen, dass wir weiterkommen.«
»Wir sollten die Männer wenigstens beerdigen, bevor wir weiterziehen«, meinte Langurius. »Das ist das Mindeste, was wir für sie tun können.«
Rebekka sah ihn überrascht an. Langurius stieg täglich in ihrer Achtung; er war zwar Christ, aber ein wirklich anständiger Mann.
Der andere Kaufmann, ein hagerer Alter, der mit Gewürzen handelte, verzog das Gesicht. »Wie wollt Ihr das anstellen, Langurius? Der Boden ist hart gefroren, da kriegt ihr kaum einen Spaten rein. Außerdem habe ich keine Lust, länger als nötig an diesem Ort zu verweilen. Wer weiß, womöglich lauert die Räuberbande noch hier in der Nähe.«
Erschrocken sah Rebekka sich um. Auch einige andere warfen einen unsicheren Blick über ihre Schulter.
»Seid kein Hasenfuß, Krömmbach!«, gab Langurius zurück. »Die Bande ist sicherlich längst über alle Berge. Und wenn wir
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