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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Augen zusammen. Er konnte zwar ein oder zwei schwache Lichter erkennen, dort, wo das Kloster stand, aber vor sich sah er nichts als tiefe Schwärze. Noch einhundert Fuß, dann hatten sie die äußere Mauer des Klosters erreicht. Hier auf der Flussseite war eine Pforte eingelassen, durch die die Nonnen das Wasser erreichen konnten, um Wäsche zu machen.
    Kylion brauchte nur einen Wimpernschlag, um das Schloss zu öffnen. Sie schlüpften hindurch, Kylion lehnte die Tür an. Im Garten reichte das Licht aus, das von der Kirche herüberschien, um zumindest zwei Schritte weit zu sehen. Wie Schatten huschten sie über die schneebedeckten Beete, bis dicht vor ihnen der Turm der Klosterkirche in den Nachthimmel ragte. Ein Mann lief um die Ecke, um das Seitenportal von außen zu versperren, Kylion übernahm das Hauptportal. Mit einer Holzstange, die er zwischen die Griffe schob, blockierte er das Tor. Bis die Nonnen merkten, dass sie eingesperrt waren und die Sturmglocke läuteten, um Hilfe herbeizurufen, würden Kylion und seine Leute längst über alle Berge sein.
    Kylion hoffte, dass sein Informant sich nicht täuschte und Amalie in ihrer Zelle ausharrte. Sollte sie doch mit den Nonnen in der Kirche sein, mussten sie vom Plan abweichen.
    Einen Augenblick blieb er stehen und lauschte. Aus der Kirche drang der Gesang der Nonnen. Er würde alle Geräusche übertönen, die die Eindringlinge verursachten.
    Kylion deutete mit dem Arm auf das Gebäude, in dem die Zellen untergebracht waren. Hundertzwölf an der Zahl, für jeden Mann acht. »Auf geht’s«, zischte er. »Ihr wisst, was ihr zu tun habt!«
    Die Männer rannten los. Es war vereinbart, dass sie sich im Refektorium wiedertreffen würden, dem Speisesaal des Klosters, der unmittelbar an die Korridore mit den Zellen grenzte.
    Kylion folgte den Männern, trat in das Gebäude und öffnete die erste Tür. Leer. Die nächste. Nichts. Die dritte. Niemand. Als er an der letzten angekommen war, die er zu kontrollieren hatte, überfiel ihn ein Gefühl des Versagens. Er hätte die Metze gern selbst aufgespürt, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, sie zu finden, nur acht zu einhundertzwölf betragen hatte. Die Freude würde also einem anderen Mann zuteilwerden. Er machte sich auf zum Refektorium. Während er durch den Korridor schlich, hörte er leises Knacken und Quietschen. Türen, die geöffnet und wieder geschlossen wurden.
    Elf Männer warteten bereits im Refektorium. Aber keine Amalie. Die letzten beiden kamen – ebenfalls mit leeren Händen. Kylion spürte ein Ziehen in seinem Magen. Verflucht, wo war diese verdammte Hexe?
    »Dreht jeden Stein um, durchsucht alles!«, befahl er. »Und wenn wir sie hier nicht finden, gehen wir in die Kirche und stechen so lange ein Weib nach dem anderen ab, bis sie uns sagen, wo sie das Teufelsbalg versteckt halten!«
***
    Rebekka starrte fassungslos in den Hohlraum. Nichts war in diesem Schrein. Nichts als gähnende Leere. Aber der Schädel musste hier sein! Es gab keine andere Möglichkeit. Wozu das komplizierte Versteck, wenn es nichts verbarg?
    Sie horchte auf. Geräusche. Leise Stimmen und Schritte. Aber die Nonnen waren doch in der Kirche! Suchten sie nach ihr? Rebekka fröstelte. Ihr Atem ging schneller. Sie schlich zur Tür, spähte den Gang hinunter, an dem die Zellen der älteren Schwestern lagen. Vor Schreck biss sie sich so fest auf die Zunge, dass sie Blut schmeckte. Männer liefen über den Korridor, öffneten und schlossen Türen. Sie durchsuchten die Zellen. Adonai! Sie suchten nach ihr!
    Plötzlich begriff sie: Der Anschlag nach der Krönung, die merkwürdige Warnung des Mannes, den sie das Abecedarium von Prag nannten, von der Hardenburgs Vorsichtsmaßnahmen – es war immer um sie gegangen. Um Amalie Belcredi. Um das Geheimnis, das sie und ihre Familie umgab. Und nun hatten ihre Feinde sie hier im Kloster aufgespürt, während ihre Beschützer unerreichbar fern im Wald lagerten.
    Rasch zog Rebekka sich in den Kapitelsaal zurück. Sie musste ihre Aufgabe zu Ende bringen und dann fliehen. Sie hatte nicht so lange ausgeharrt, um sich im letzten Augenblick geschlagen zu geben. Sie wollte nicht mit leeren Händen ins Lager zurückkehren, sie wollte etwas haben, womit sie Engelbert zwingen konnte, sein Wort zu halten. Denn wie sollte sie ohne seine Hilfe herausfinden, was aus ihren Eltern in Rothenburg geworden war und welches Geheimnis ihre Herkunft überschattete?
    Eine Erinnerung flammte in ihr auf. Die neue Mutter Oberin hatte

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