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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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sich das Pergament angeschaut. Aber nur sehr kurz. Niemand, der nicht über dieselbe Fähigkeit wie sie selbst verfügte, konnte sich die Kombination so schnell merken. Die Oberin hatte dann nach oben gesehen und gelächelt. Was hatte auf dem Pergament noch gestanden? Das Versteck war nicht der Schrein, das wusste Rebekka jetzt. Aber der Ort, wo die Reliquie versteckt war, musste auf dem Pergament gestanden haben.
    Sie rief sich die Zeichnung ins Gedächtnis. Ja, darüber hatte sie einen Schriftzug gesehen, den sie aber nicht weiter beachtet hatte.
    Gott ist unser Herr , hatte dort auf Latein gestanden. Durch ihn leben wir, und durch ihn werden unsere Seelen eingehen in das Paradies . Nichts weiter. Hatte sie etwas vergessen? Etwas übersehen? Nein. Sie war sich sicher. Mehr hatte nicht auf dem Pergament gestanden.
    Rebekka sank zu Boden, hob den Blick zur Decke. »Gelobt seist du, Ewiger«, murmelte sie. »Unser Gott und Gott unserer Väter, Gott Abrahams, Gott Isaaks und Gott Jakobs, großer starker und furchtbarer Gott, der du beglückende Wohltaten erweisest und Eigner des Alls bist …«
    Plötzlich sprang sie auf. Das konnte nicht wahr sein! Es konnte nicht so einfach sein. Aber oft waren die einfachen Rätsel die schwierigsten, weil man das Wesentliche leicht übersah. Das Deckengewölbe bestand aus bemalten Schnitzereien, die in viereckigen Kassetten angebracht waren und jeweils bis zur halben Höhe der Wand herunterliefen; darunter waren die Steine mit gewachsten Brettern verdeckt. Genau über ihr war die Pforte zum Paradies eingeschnitzt und farbenprächtig ausgestaltet. Hiltrud hatte ihr erklärt, dass Gott dort die Gerechten von den Ungerechten trennte. Um eine der vierundzwanzig Kassetten konnte Rebekka deutlich Schlitze erkennen.
    Sie stieg auf die Bank unterhalb des Paradieses und tastete an den Schlitzen entlang. Da war, was sie suchte: ein Scharnier. Ihre Finger glitten weiter. Ein zweites. Also war der Öffnungsmechanismus auf der anderen Seite der Kassette. Rebekka drückte auf die Holzkante, es klackte, der Deckel gab nach, und fast wäre der Schädel des heiligen Wenzel auf dem Boden zerschellt, so plötzlich fiel er ihr entgegen. Blitzartig griff sie zu. Der Schädel war in blauen Samt eingeschlagen, doch sie ertastete seine Form deutlich durch den Stoff.
    Rebekka drückte die Kassette wieder zurück, bis sie einrastete. Dann sprang sie von der Bank. Schnell wickelte sie den Schädel aus. In der rechten Augenhöhle steckte die Cedula, die seine Herkunft bestätigte, in der linken das Echtheitszertifikat des Papstes. Alles war so, wie der Ordensritter es gesagt hatte. Bis auf den Umstand, dass die Nonnen mit dem falschen Versteck erfolgreich alle an der Nase herumgeführt hatten.
    Rebekka hörte Schritte, ihr Herz begann zu rasen. Die Männer mussten bemerkt haben, dass sie nicht in einer der Zellen war. Jetzt suchten sie das ganze Kloster ab. Aber sie würden sie nicht finden.
    Der Schlitz, durch den sie gemeinsam mit Hiltrud die Wahl Margaretes beobachtet hatte, war ähnlich gewesen wie der in der Decke. Bestimmt war auch hier eine Luke, die sich öffnen ließ. Wozu sonst der Gang? Von innen hatte Rebekka zwar keinen Mechanismus gesehen, doch dazu war es in dem Gang viel zu dunkel gewesen. Außerdem hatten die Ereignisse im Kapitelsaal ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.
    Mit wenigen Schritten war Rebekka auf der anderen Seite des Saales. Im Paradies war die Reliquie versteckt gewesen. Wo war die Tür, die ihr die Flucht ermöglichte? Wo war der Weg, der in die Freiheit führte?
    Da war er! Eine Kassette zeigte ein Tor, das auf einer Wolke im Himmel schwebte. Rebekka brauchte nur einen Moment, um den Mechanismus zu finden. Die Kassette schwang zur Seite. Rebekka zog sich hoch. Die Öffnung war so eng, dass sie kaum hindurchpasste. Rebekka schob zuerst ihr wertvolles Bündel in den Gang, dann zwängte sie sich hinterher. Lautlos glitt sie auf der anderen Seite auf den Boden und schloss die Luke.
    Im selben Moment hörte sie, wie jemand in den Kapitelsaal stürzte. Schritte ertönten, dann ein Ruf. »Hier ist die Metze auch nicht!«
    Rebekka hielt die Luft an.
    Wieder waren Schritte zu hören. Diesmal entfernten sie sich langsam.
    Rebekka überlegte fieberhaft. Am sichersten wäre es, in dem Geheimgang auszuharren, bis die Männer aufgaben. Aber das konnte dauern. Und wenn in der Zwischenzeit die Nonnen ihre Feierlichkeiten in der Kirche beendeten, saß sie in der Falle. Sie musste

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