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Die Residenz des Doktor Rattazzi: Roman (German Edition)

Die Residenz des Doktor Rattazzi: Roman (German Edition)

Titel: Die Residenz des Doktor Rattazzi: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ugo Riccarelli
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Ende zu bringen versuchte, war er schon Dutzende Male zwischen der Eingangshalle der Anstalt und der Straße hin- und hergelaufen, hatte sich stürmisch von einer Schwester verabschiedet und einen Aufseher umarmt, hatte den Lastwagen umkreist, die Räder betrachtet, die Türen auf- und zugemacht und mit seiner hektischen Aktivität alle auf eine harte Geduldsprobe gestellt, bis Marzi eine glückliche Eingebung hatte und ihn einlud, sich neben ihn in die Fahrerkabine zu setzen, wo er Fosco ablenkte, indem er ihm die Funktionsweise der Anzeigen, das Steuer und die Schaltung erklärte, so dass die ungewöhnliche Fuhre endlich abfahren konnte.
    Mit seiner Ladung Irrer auf der Pritsche entfernte der Wagen sich am späten Vormittag schließlich von der Anstalt, und die wenigen Menschen, die noch in der Stadt ausharrten, blieben am Straßenrand stehen, um neugierig zuzuschauen, wie der Wahnsinn hinunter in die Talenge fuhr, oder standen hinter ihren Fenstern, um die verstörten Blicke von Mita und von Bardi zu erhaschen, die schaukelnde Bewegung, mit der der arme Malfatti sich vor seiner Angst schützte, die gesenkten Augen von Renatina, den niemals stillstehenden Mund von Professor Cavani.
    Verschanzt hinter dem Schutzschild ihrer Normalität, erleichtert und beunruhigt zugleich durch diesen Anblick, bemerkten sie nicht, dass auch Homer sich auf dieser Pritsche befand, getragen von den Versen des Professors, auf dass er die Geschicke der Menschen und Götter beschütze. Ebenso entging ihnen der Zugang zu Gott, den Giovanni besaß, der vom Allerhöchsten Aufträge erhielt und Gespräche mit ihm führte. Sie konnten nicht einmal Foscos Glück teilen, der in diesem Moment all seine Düsternisse vergessen hatte, war er doch völlig in die Geheimnisse vertieft, die Marzi ihm anvertraute, die Tricks, mit denen man dieses Wunderding steuerte, rot wie Feuer, dröhnend und schnell, auf dessen Bock er saß.
    Die Menschen waren an den Rändern der Straßen und in den Häusern zurückgeblieben und konnten nur verstohlen beobachten, wie die Verrückten zum Pianoro hinunterfuhren, während sie selbst mit ihrer Vernunft dastanden und auf die Bomben vom Himmel warteten und auf den Durchzug der nahenden Front, damit sie wie ein reißender Fluss alle ruhmreichen Projekte eines Krieges mit sich fortschwemmte, an dem man nun schon seit Jahren würgte, der mit Toten gespickt war, schwarz und klebrig wie Pech, eine Krankheit, die mittlerweile allen den Leib und die Seele zerfressen hatte, was war dagegen schon der Wahnsinn.
    Doch zwischen den konfusen Gedanken, die in den Köpfen dieser Menschen wimmelten, hatten manche vielleicht auch eine Regung des Bedauerns, einen Gruß oder eine Hoffnung am Straßenrand zurückgelassen, und von irgendwoher kam plötzlich jene Leichtigkeit, die Beniamino auf den Lastwagen aufsteigen spürte wie einen Passanten, der in letzter Minute auf einen abfahrenden Zug aufspringt.
    Er spürte sie klar und deutlich, unter den Staub gemischt, den die Räder aufwirbelten, während der Lastwagen schon die Bahngleise überquerte. Sie schlüpfte auf die Sitzbank neben Malfatti und half ihm, sein zwanghaftes Hin- und Herschaukeln ein wenig zu verlangsamen, sie streichelte Mitas Wangen, um das Schluchzen einzudämmen, das sie bei der Abfahrt überfallen hatte, und setzte sich dann auf Foscos Schoß, der endlich ganz ruhig war, auf Marzis Handgriffe konzentriert, Marzi, den er zu seinem Zauberer erkoren hatte.
    Und als der Lastwagen am Ufer des kleinen Sees entlang durch die Talenge fuhr, sah Beniamino deutlich, wie diese Leichtigkeit sich in Renatinas Blick spiegelte, denn sie hatte, was sonst nie vorkam, die Augen gehoben, hingerissen vom Glitzern der Sonne auf dem Wasser, einem Funkeln, das auch schon Bardis elsternhafte Neugierde weckte.
    Giovanni umarmte diese Leichtigkeit, wie er seinen Gott umarmt hätte, mit dem er sich zu unterhalten pflegte, derselbe Gott, der ihm alles befohlen hatte, was er in seinem Leben tun sollte, bis die Verwandten in diesen Befehlen den Irrsinn am Werk sahen und ihn wegsperren ließen. Auch Professor Cavani begrüßte sie voller Freude und Liebe mit den Worten, mit denen Penelope ihren Odysseus in Ithaka begrüßt.
    Gerüstet mit dieser neuen Leichtigkeit, kamen die Verrückten im Pianoro an wie an einem Ausflugsziel und stiegen vom Lastwagen herunter, betäubt von allem Neuen, dem ungewohnten Grün, das sie umgab, der Luft, die frei strömte, ohne Mauern, die sie in einen Innenhof

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