Die Residenz des Doktor Rattazzi: Roman (German Edition)
Junge erregt fort.
»Außerdem merkte dieser Fischerjäger, dass die beiden Deutschen traurig waren und dass er ihnen, ohne es zu wissen, Unrecht getan hatte, und das hab ich bei meinem Vater auch mal so gemacht«, schrie Fosco nun fast, ohne den Blick von Beniamino zu lösen, der ihn mit einem Nicken aufforderte, weiterzusprechen.
»Aber jetzt hört zu, wie es weitergeht!« rief Fosco den anderen zu, die sofort verstummten.
»Er merkte also, dass er nicht besonders nett gewesen war, und sagte es seinen Freunden, und sie überlegten gemeinsam, was sie tun konnten, so wie ich mich mal in den Arm geschnitten hab, damit mein Papa mir verzeiht«, sagte er, indem er den rechten Ärmel seines Hemdes aufkrempelte und die Narbe vorzeigte, die seinen Arm vom Handgelenk bis zum Ellenbogen verunstaltete.
»Denn man muss ein Opfer bringen, um den anderen für seinen Kummer zu entschädigen. Etwas muss getan werden, um die Freundschaft zu erhalten und die Liebe, es kann auch ein Geschenk oder ein Gefallen sein, damit die Dinge wieder in Ordnung kommen und man keine bösen Gedanken mehr hat und böse Träume und Stimmen, die einen zwingen, zu bereuen, was man gar nicht tun wollte, aber trotzdem getan hat«, sagte Fosco, der an diesem Tag hochaufgerichtet vor dem Tisch stand, mit Tränen in den Augen als Geschenk an die Hausbewohner.
»Diese Fischerjäger, die fischten und den Fisch verkauften und ihn aßen und auch die Fasanen und Enten aßen, die sie fingen, weil sie Hunger hatten, denn wenn einer Hunger hat, muss er essen, so wie ich schlafe, wenn ich müde bin, die brachten also ein Opfer. Diese Fischerjäger gingen in die Stadt, in die Geschäfte, wo Enten verkauft werden, und kauften ein Pärchen, und dann ließen sie es an dem Fluss frei, wo sie lebten, und dabei schworen sie, dass sie niemals mehr Enten essen würden, auch nicht, wenn sie Hunger hatten«, betonte er mit belegter Stimme, »und wenn ihr jetzt dorthin geht, werdet ihr an den Ufern dieses Flusses immer noch einen Haufen Enten finden, die friedlich und glücklich leben, als gute Freunde der Fischerjäger von dort.«
Hochrot im Gesicht und verschwitzt wie nach einer großen Anstrengung, wischte Fosco sich mit dem Unterarm die Tränen aus den Augen und setzte sich mit noch immer zitternden Lippen auf seinen Stuhl, um der Stille in der Küche zuzuhören.
I N DIESER S TILLE ertönte plötzlich der Lärm von Fahrzeugen, die durch die Schlucht hinunterfuhren. Mara, die gerade Gläser abtrocknete, sah die Fahrzeugkolonne in das letzte Stück Weg vor dem Haus einbiegen und stieß einen verzweifelten Schrei aus: »Die Deutschen!«
Noch bevor Beniamino aus dem Fenster schaute, wechselte er einen Blick mit Marzi. Es war ein flüchtiger Blick, doch barg er das Wissen um die nahende Gefahr. All die Vermutungen, die sie tagelang nur in hingeworfenen Bemerkungen angedeutet, gestreift hatten, weil ihnen der Mut fehlte, sie klar auszusprechen, standen jetzt vor der Tür.
Wieder spürte Beniamino das vertraute Gefühl der Ohnmacht, das immer in Angst umzuschlagen drohte. Wieder vermengten sich in diesen wenigen Augenblicken die Erinnerungen an Ignazios Gesicht und die verstaubenden Lehrbücher der Medizin auf dem Schreibtisch, das Geräusch des brechenden Beins, Marcellas Augen, die an seinen hingen, und der majestätische Blick der Madonna, die auf ihren schwangeren Leib wies. Und er sah Fosco die Vogelschwärme über den Hof verfolgen, hörte die Musik in Cavanis Versen, roch den Duft der Rosen des Irrenhauses und hörte die letzten, unverständlichen Worte, die Rattazzi ihm ins Ohr geflüstert hatte.
All das verknäulte sich in ihm, so dass ihm fast schwindelig wurde, es war eine Flut, die ihn überschwemmen und ertränken würde. Renatinas Stimme rüttelte ihn auf, sie war der Rettungsring, an den Beniamino sich klammerte, um dem Strudel zu entkommen, der ihn einzusaugen drohte, sie brachte ihn zurück in die Küche zwischen seine Verrückten, zu Marcella und Elemira, Bruni, Marzi und Mara, mit denen er sich nun dem Krieg stellen musste.
»Sind sie gekommen, um ihr Entchen zu suchen?« hatte Renatina gefragt.
Die Naivität ihrer Frage erschien Beniamino in diesem Moment wie die einzig sinnvolle Flucht aus dem Käfig, in dem sie sich befanden. Es waren wenige Worte, aber sie verpflichteten ihn zu einer Antwort.
»Vielleicht, aber wir haben nichts zu befürchten, weil wir niemals Enten gegessen haben«, gab er Renatina lächelnd zur Antwort und umarmte sie; und
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