Die Rettung
seinen Brustkorb bohrte. Wenn er den Druck nur ein wenig verstärkte, würde die Klinge Artair genau ins Herz dringen.
»Tu das nicht!« Artair sah ihn mit angstvoll geweiteten Augen an.
»Ich werde dich nicht töten. Wir haben schon genug ehrenvoll im Kampf gefallene Männer zu beklagen. Außerdem müssen wir uns um die Verwundeten kümmern, da können wir es uns nicht leisten, auch noch mit deinem wertlosen Kadaver belastet zu sein.« Ein erleichterter Ausdruck flog über Artairs Gesicht. Dylan fuhr fort: »Ich lasse dich am Leben und riskiere damit, dass du der neue Laird wirst, aber eins kannst du mir glauben, Artaii - aus dir wird nie ein guter Laird. Dein Clan wird dich nie respektieren, deine Männer werden dir nie bedingungslos folgen, und du wirst es nie zu Ruhm und Ehre bringen, wenn du nicht lernst, die Verantwortung für das Wohlergehen deiner Leute zu übernehmen. Solange du deine eigenen Interessen über die des Clans stellst, bleibst du das elende Stück Dreck, das du jetzt bist. Dein Vater hat dir nie beigebracht, was einen guten Laird ausmacht, dein Bruder konnte es dir nicht beibringen, also sage ich es dir, und du solltest mir lieber sehr gut zuhören. Wenn du willst, dass die Mathesons von Glen Ciorram in Zukunft in Frieden leben und keine Not leiden, dann muss dir ihr Wohl wichtiger sein als dein eigenes. So einfach ist das.«
Er gab Artair frei und stützte ihn, als der junge Mann das Gleichgewicht zu verlieren drohte. Dann schob er Brigid unter seine Gamasche und sah sich nach einem Schlafplatz um. Robin klopfte ihm im Vorbeigehen anerkennend auf die Schulter, und beide Männer streckten sich neben Seumas im Heidekraut aus. Auch die restlichen Mathesons wickelten sich in ihre Plaids, um ein paar Stunden zu schlafen. Artair setzte sich mit mürrischer Miene zu Tormod und Dùghlas, doch Dylan vernahm zu seiner Überraschung kein unwilliges Geflüster aus dieser Ecke. Er schloss die Augen und schlief augenblicklich ein.
Gegen Mittag brachen sie wieder auf, um den Rest des Weges nach Glen Ciorram zurückzulegen. Artair verhielt sich während des gesamten Marsches missmutig und wortkarg, unterließ es aber, Dylan in irgendeiner Weise zu provozieren.
22. Kapitel
Im August telefonierte Barri mit Cody.
»Ich glaube, ich sollte nach Schottland fahren.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte einen Moment Schweigen. Barri konnte das Baby Dylan im Hintergrund fröhlich krähen hören. Dann sagte Cody langsam: »Was erhoffen Sie sich davon?«
Die Frage ließ sich nicht so einfach beantworten. Barri hatte lange über die Beweggründe für diese Reise nachgedacht. Sie glaubte inzwischen an die Existenz der Fee, und sie wünschte sich verzweifelt, Codys Geschichte möge der Wahrheit entsprechen. Aber obwohl sie alle Geschichtsbücher verschlungen hatte, derer sie habhaft werden konnte, war sie nur auf einen einzigen Hinweis gestoßen, der Codys Behauptungen zu bestätigen schien. In einer Abhandlung über Bonnie Prince Charlie wurde im Zusammenhang mit der Schlacht von Culloden im Jahre 1746, dem letzten gescheiterten Jakobitenaufstand, ein gewisser Ciaran Robert Matheson erwähnt. Über Black Dylan oder Dilean Dubh hatte sie nichts entdecken können.
Zum einen wollte sie gerne mehr über Dylans Leben in Erfahrung bringen, und das gelang ihr vielleicht, wenn sie ein wenig im Stadtarchiv von Ciorram herumstöberte. Aber da war noch etwas, was sie sich noch nicht einmal selbst gerne eingestand, Sie hoffte, die Fee zu finden. Irgendwo im hintersten Winkel ihres Herzens hegte sie die unbestimmte Hoffnung, Dylan wieder zu sehen.
Aber sie sagte nur: »Ich möchte einfach noch mehr herausfinden.«
»Und Sie glauben, dass Ihnen das in Schottland gelingt?«
»Dort finde ich sicher mehr Informationen über ihn als hier.«
»Und wenn Ihnen das, was Sie entdecken, nicht gefällt?« Wieder herrschte einen Moment Stille, bevor Cody zögernd fortfuhr: »Ich meine, 1718 war er fünfunddreißig. Vielleicht endet seine Geschichte in diesem Jahr. Wollen Sie wirklich alles wissen?«
Die Antwort fiel ihr nicht schwer. »Ja. Alles. Ich will einfach alles wissen.« Mehr noch, sie wollte selbst sehen, wo ihr Sohn gelebt hatte und gestorben war. »Und ich werde es herausfinden.«
Cody seufzte. »Vielleicht gibt es da gar nichts mehr herauszufinden. Er hatte zwar Kinder, aber selbst wenn deren Nachfahren noch leben, können sie Ihnen wahrscheinlich nicht mehr über Dylan erzählen als das, was Sie schon von seinem
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