Die Rettung
Konkurrenten um Iains Nachfolge neben sich zu sehen.
Iain sah ihn eine Weile nachdenklich an, dann wanderte sein Blick zu Dylan. Seine hellen, buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen, während er mit sich rang. Er trat zur Tür und lauschte kurz. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Soldaten noch nicht in der Nähe waren, holte er tief Atem und traf seine Entscheidimg. »Kommt mit. Es gibt da noch etwas, was ihr wissen solltet.« Er ging zu dem Regal hinter seinem Schreibtisch, zog ein dickes Buch heraus, legte es auf den Tisch und schlug es auf. Zwei zusammengefaltete Papierbögen steckten zwischen den Seiten.
»Vermutlich mache ich einen großen Fehler, wenn ich euch dies zeige / aber andererseits habt ihr ein Recht darauf, zu erfahren, wo ihr steht. Schließlich müsst ihr die Gelegenheit bekommen, euch auf eure zukünftigen Pflichten vorzubereiten.« Er faltete ein Papier auseinander, warf einen Blick darauf und reichte es Dylan. Das andere gab er Artair.
Dylan hielt den Bogen in den Schein des Kerzenleuchters und überflog ihn. Die kunstvolle Handschrift, deren >S<-Buchstaben wie ein >F< aussahen, ließ sich nur schwer entziffern, aber wenigstens war das Dokument in Englisch abgefasst. Es handelte sich um eine Besitzübertragung. Iain Mór hatte ihm darin seinen gesamten Landbesitz überschrieben. Dylans Herz begann schneller zu schlagen, doch sein Hochgefühl verflog, als er begriff, was auf dem anderen Bogen stehen musste. Artairs freudig gerötetes Gesicht bestätigte seine Vermutung. Mit dem zweiten Dokument hatte Iain seinen Besitz auch an Artair vermacht. Dylan hegte keinen Zweifel daran, zu welchem Zweck dies geschehen war.
»Du kannst deinen Besitz nicht einfach jemandem hinterlassen, weil wir katholisch sind«, stellte er fest. Iain nickte, und Dylan fuhr fort: »Das Gesetz verbietet es Katholiken, ein Erbe anzutreten. Also musst du alles, was du besitzt, schon vor deinem Tod jemandem überschreiben - demjenigen, der zugleich deine Nachfolge antreten soll. Aber du weißt noch nicht, wen von uns beiden du lieber als neuen Laird sehen würdest, deshalb hast du zwei gleich lautende Dokumente aufgesetzt. Das eine bestimmt Artair zu deinem Nachfolger, das andere mich.«
Damit hatte Artair nicht gerechnet. Die Enttäuschimg war ihm vom Gesicht abzulesen, als er über Dylans Schulter spähte, um sich das zweite Dokument anzusehen. »Er soll Laird werden? Er hat überhaupt keinen Anspruch auf den Titel! Ich bin der Sohn eines Lairds und dieser dahergelaufene Kolonialistenbastard nur der Enkel - wenn überhaupt! Von Rechts wegen gehört der Besitz mir!«
Iains Augen blitzten zornig auf. »Der Besitz, lieber Bruder, gehört vorerst immer noch mir. Och! Du denkst nur an Besitz! Hättest du dir Gedanken über die Verantwortimg gemacht, die du übernehmen sollst, würde mir die Entscheidung leichter fallen. Ich muss überlegen, welche Lösung für den Clan die beste ist. Ich kann nicht einfach die Augen vor den Problemen verschließen, wie man es in den letzten Jahrzehnten getan hat, und daraufbauen, dass nach meinem Tod jemand die Führung übernimmt, der auch fähig ist, den Clan zusammenzuhalten. Wenn ich das Land nicht schon zu Lebzeiten jemandem überschreibe, fällt es aufgrund der antikatholischen Gesetze an die Krone. Das muss verhindert werden, also ist es an mir, jetzt schon zu entscheiden, wer mein Nachfolger wird. Und dabei darf ich nur zum Wohle des Clans handeln.«
Iain nahm die beiden Dokumente wieder an sich. »Ich werde sie an einem sicheren Ort aufbewahren, bis ich meine Entscheidung treffe oder sterbe. Falls ich sterbe, ohne vorher einen von euch zu meinem Nachfolger ernannt zu haben, wird Malcolm entscheiden, welches Dokument bekannt gemacht und welches vernichtet wird.«
»Das ist genau die Art, wie die Sassunaich solche Dinge regeln«, murrte Artair. »Mit Papieren und solchen Sachen.«
»Die Sassunaich zwingen uns ja auch dazu, zu solchen Mitteln zu greifen, wenn wir unseren Besitz unserer Familie hinterlassen wollen. Was bleibt uns also anderes übrig, als sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen?« Iain zog erneut ärgerlich die Brauen zusammen, aber ob sich sein Zorn gegen die verhassten Besatzer oder den begriffsstutzigen Artair richtete, konnte Dylan nicht sagen. Unwillkürlich musste er lächeln. Der alte Fuchs hatte sich das ja schön ausgedacht!
»Ihr zwei wisst jetzt also Bescheid. Die Dokumente bleiben hier in meinem Arbeitszimmer, bis sie benötigt werden.« Mit
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