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Die Rettung

Titel: Die Rettung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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erfasst, was hier vor sich ging. Artair nutzte die Gelegenheit, um ihn, Dylan, des Verrats zu bezichtigen und ihn so ein für alle Mal aus dem Weg zu schaffen.
    »Treib es nicht zu weit, mein Junge, sonst könntest du deine Unverschämtheit mit dem Leben bezahlen«, warnte er. Empörtes Leugnen wäre reine Zeitverschwendung gewesen, denn er wusste, dass Artair selbst nicht glaubte, was er da behauptete. »Wenn du der nächste Laird werden willst, Artair, dann musst du zusehen, dass du noch eine Weile am Leben bleibst, und das wird nicht der Fall sein, wenn du deine Anschuldigung nicht augenblicklich zurücknimmst!«
    Statt einer Antwort stürmte Artair mit gezücktem Dolch auf ihn los, doch Dylan entging nicht, dass die Klinge verdächtig zitterte. Er sprang zurück, sodass der Stoß ins Leere ging, und griff dann unvermittelt selbst an. Artair, plötzlich in die Defensive gedrängt, stolperte nach hinten. Als er sich von dem Schreck erholt hatte, wollte er den Angriff parieren, aber Dylan zwang ihn, immer weiter zurückzuweichen. Er beabsichtigte nicht, den Grünschnabel zu töten - nicht, wenn der Kommandant der hiesigen Garnison vielleicht hinter der Tür lauerte und nur darauf wartete, ihn wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu erschießen und erst später Fragen zu stellen. Aber er trieb Artair unerbittlich immer näher auf die Tür am Ende des Ganges zu.
    Wieder trafen die Dolche klirrend aufeinander, die Klingen blitzten im flackernden Kerzenlicht auf. Dylan verstärkte seine Anstrengungen, Artair in die Enge zu treiben, achtete dabei aber darauf, ihn nicht zu verletzen. Als der junge Mann über die Türschwelle stolperte, versetzte Dylan ihm einen kräftigen Tritt, der ihn zu Boden warf, und schlug ihm rasch die Tür vor der Nase zu. Dann schob er Brigid wieder unter seine Gamasche, drehte sich um und lief den Gang hinunter.
    Hinter der Tür ertönten laute Rufe. Die englischen Soldaten hatten Artair offensichtlich in Gewahrsam genommen.
    Dylan rannte zu Sarahs Zimmer zurück und huschte hinein. Im selben Moment öffnete sich die Tür zum Westturmgang, und das Geräusch lederbesohlter Stiefel auf dem Steinboden hallte von den Wänden wider. Lautlos schloss Dylan die Tür und blickte sich in Sarahs Behausung um.
    Der enge Raum, den sie sich mit ihren beiden Söhnen teilte, wurde nur von dem Feuer in dem kleinen Kamin erleuchtet. An einer Wand stand ein grob gezimmertes Etagenbett, sonst gab es nur einen Tisch und drei wackelige Stühle. Eóin und Gregor saßen auf dem obersten Bett. Ihre Augen leuchteten vor Aufregung. Sarah, die neben dem Kamin lehnte, wollte etwas sagen, doch Dylan schnitt ihr das Wort ab. Mit leiser, eindringlicher Stimme wandte er sich an die Jimgen.
    »Eóin! Gregor! Ab unter die Decke! Stellt euch schlafend!«
    Beide Jungen zogen sich widerspruchslos die Decke über den Kopf und blieben still liegen. Alle Kinder in Glen Ciorram wussten nur zu gut, welche Gefahr ihnen von den Engländern drohte. Keiner der beiden wagte sich zu rühren oder auch nur einen Mucks von sich zu geben.
    Die Soldaten kamen immer näher. Sie schienen Raum für Raum systematisch zu durchsuchen.
    Dylan ließ sich auf einen Stuhl fallen, packte Sarah und zog sie auf seinen Schoß. Sekunden später wurde die Tür aufgestoßen, und zwei Rotröcke stürmten in die Kammer. Einer, ein gewöhnlicher Gefreiter, trug eine Muskete mit aufgeschraubtem Bajonett; der andere war Bedfords Leutnant Niall MacCorkindale. Dylan unterdrückte einen erleichterten Seufzer. Der Leutnant stammte von der Insel Skye und wurde verdächtigt, ein heimlicher Anhänger des katholischen Glaubens zu sein. Trotz seiner unerschütterlichen Loyalität gegenüber der Krone hatte er für seine schottischen Landsleute weit mehr Verständnis als seine englischen Kameraden.
    »Och«, machte Dylan, bemüht, möglichst verlegen zu wirken. Dass er von dem Kampf mit Artair noch immer erhitzt und außer Atem war, kam ihm sehr zupass. »MacCorkindale, was gibt es denn?« Er schob Sarah von seinem Schoß. Sie blieb unschlüssig neben seinem Stuhl stehen. Dylan sah ihr an, dass sie keine Verlegenheit vorzutäuschen brauchte; ihr Gesicht und ihr Hals leuchteten hochrot. Sie griff nach einem Umschlagtuch und legte es sich um die Schultern. Dabei hielt sie den Blick unverwandt auf MacCorkindales schwarze Reitstiefel gerichtet.
    Der Leutnant sprach Dylan auf Gälisch an. »Dylan Dubh! Ich bin erstaunt, Euch hier anzutreffen.« Sein Blick wanderte durch den kleinen Raum,

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