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Die Rettung

Titel: Die Rettung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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viele Durchsuchungen miterlebt, und die unerschütterliche Gelassenheit, die sie bei solchen Gelegenheiten an den Tag legte, wirkte sich beruhigend auf die anderen Dienstboten in der Burg aus.
    Iain nahm eine lange Kerze aus einem Halter und führte die Männer in sein im unteren Stock des Nordturmes gelegenes Arbeitszimmer, »Schließ die Tür«, befahl er Artair. Dieser schob die schwere, geschnitzte Eichenholztür zu und legte den Riegel vor. Dann entzündete Iain die fünf Kerzen, die in dem großen Leuchter auf seinem Schreibtisch steckten.
    Der Raum war mit gepolsterten Stühlen, dem mächtigen Schreibtisch und hohen Regalen an den Wänden geradezu üppig möbliert. Dicke, ledergebundene Wälzer und mehrere Kontobücher stapelten sich in dem einen Regal, das andere enthielt Krüge mit Wein und Brandy. Gegenüber vom Schreibtisch hing ein Gobelin. Er zeigte Iains Vater und eine weiße Fee, von der nur Dylan wusste, dass es sich um Sinann handelte. Jeder in der Burg kannte die Geschichte dieses Gobelins, der für ein Geschenk der Kleinen Leute gehalten wurde. Dylan allerdings war auch bekannt, was es mit diesem Geschenk auf sich hatte.
    Er fasste die Fee auf dem gestickten Bild scharf ins Auge und sah, wie sie den Männern im Raum mit dem Blick folgte. Sinann bespitzelte sie also wieder einmal! Dylan runzelte missbilligend die Stirn. Sie sollte auf seine Kinder aufpassen, statt Gespräche zu belauschen, die sie nichts angingen.
    Iain ging zu einem der Wandregale hinüber, tastete nach einem verborgenen Hebel und zog daran. Das gesamte Regal schwang wie eine riesige Tür langsam auf; Holz kratzte leise auf Stein. Obwohl der Laird ein hoch gewachsener, kräftiger Mann war, musste er ein paarmal mit aller Gewalt an dem Hebel zerren, bis er die Geheimtür so weit geöffnet hatte, dass sich ein Mann durch den Spalt zwängen konnte. Dahinter lag eine steinerne Treppe, die in einen stockfinsteren, schmalen Tunnel hinabführte. Iain reichte Mar die Kerze. »Dieser Gang endet bei dem Bach, der oben auf dem Waldhügel entspringt. Folgt dem Wasserlauf hügelaufwärts, vorbei an dem Feenturm, dann werdet Ihr auf Eure Männer treffen.«
    »Bedford hat eine Ausgangssperre verhängt«, warnte Dylan. »Die MacDonells haben einen creach gegen uns geführt, und er will unbedingt verhindern, dass wir uns unser Eigentum zurückholen.«
    Iain grunzte unwillig, dann fügte er hinzu: »Mylord, seid auf der Hut. Dort draußen wimmelt es von Soldaten, die darauf brennen, einige von uns zu verhaften.« Ein ängstlicher Ausdruck trat in seine Augen. »Und was Ihr auch tut - haltet Euch nur nicht unnötig beim broch sidhe auf. Ihr wisst ja, wie gerne die Kleinen Leute mit uns Sterblichen ihren Schabernack treiben.«
    Mar nickte. Er nahm Warnungen vor dem Feenvolk überaus ernst. Ohne ein weiteres Wort verschwand er in dem Gang. Iain nahm sein Wehrgehenk ab und hängte das Schwert des Königs an einen Haken hinter dem Bücherregal. Einst hatte es den Ehrenplatz an der Wand hinter dem Schreibtisch des Lairds eingenommen, doch seit drei Jahren hielt Iain es für sicherer, die kostbare Waffe zu verstecken. Er schob die Geheimtür wieder zu und überprüfte, ob irgendwelche verräterischen Spuren zurückgeblieben waren.
    Dann wandte er sich an Artair und Dylan. Nun, da der Englisch sprechende Earl fort war, verfiel er wieder ins Gälische. Seine Stimme klang ernst. »Hört mir jetzt gut zu, ihr beiden. Bis heute war ich der Einzige im Tal, der von diesem Gang wusste. Vor mir war es mein Vater und davor sein Vater. Seit Mathesons in dieser Burg leben, wird dieses Geheimnis stets vom Vater an den Sohn weitergegeben.« Er legte eine Hand auf das Heft des alten Schwertes. »Einer von euch wird eines Tages der neue Laird dieses Tales sein. Ich erwarte, dass ihr euch des Vertrauens würdig erweist, das ich in euch setze, und niemandem außer eurem Nachfolger etwas von der Existenz dieses Ganges verratet.«
    Dylan hatte es vor Überraschung die Sprache verschlagen. Artair warf ihm einen bitterbösen Blick zu, ehe er Iain finster musterte. Aber beide Männer nickten.
    »Schwört es mir. Du, Artair, beim Grab deiner Mutter, und du, Dylan, bei dem deiner Frau.«
    Dylan und Artair leisteten bereitwillig den geforderten Schwur.
    Doch dann fragte Artair: »Warum erzählst du uns beiden das?« Sein rot angelaufenes Gesicht und die zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammengepressten Lippen verrieten deutlich, wie sehr es ihm missfiel, plötzlich einen

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