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Die Rettung

Titel: Die Rettung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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herum, bis er seinen Götterstein gefunden hatte - einen kleinen runden Stein mit einem Loch in der Mitte. Er hielt ihn wie ein Monokel ans Auge, konnte aber Sinann nirgendwo entdecken. Merkwürdig. Wenn er sie durch den Stein nicht sehen konnte, dann war sie auch nicht hier. Vielleicht war sie zu seinem Haus zurückgekehrt. Er würde ein ernstes Wort mit ihr reden müssen. Wie kam sie dazu, ihn einfach so seinem Schicksal zu überlassen? Die Kälte war ihm bis ins Mark gedrungen. Wenn er noch länger bewusstlos auf dem eisigen Boden gelegen hätte, wäre er vermutlich erfroren. Sein linkes Bein schmerzte jetzt so stark, dass er fürchtete, den Rückweg zur Burg nicht bewältigen zu können.
    Seufzend blickte er sich ein letztes Mal um. Wo steckte die verflixte Fee nur? Eine Windbö zerrte an seinem Plaid. Fröstelnd zupfte er es zurecht und hüllte sich enger in seinen Mantel, bevor er sich mühsam aufrappelte. »Sinann?« Typisch für sie, sich gerade dann aus dem Staub zu machen, wenn man sie am dringendsten brauchte. Wahrscheinlich schämte sie sich. Dylan rollte den leeren Sack zusammen und humpelte langsam den Pfad entlang, der zur Burg führte. Er würde sich nur mit viel Glück an den Soldaten vorbeischleichen können, die so kurz nach Sonnenuntergang verstärkt das Tal durchstreiften, aber es war zu kalt, um noch länger hier auszuharren. Gracie würde ihm wieder die Gästekammer herrichten müssen. Er beabsichtigte nicht, seine Kinder nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause zu schmuggeln; das Risiko, den Sassunaich in die Arme zu laufen, erschien ihm entschieden zu groß.
    »Elender Sterblicher! Wie kann er es wagen!«
    Daghda packte Morrighans Hand und hielt sie fest, weil er fürchtete, sie könne in ihrer Raserei ernsten Schaden anrichten. Sie versuchte sich loszureißen, doch er zog sie mit eisernem Griff zu sich auf das Lager herunter, wo sie eben noch in tiefem Schlaf gelegen hatte.
    »Dieser anmaßende Bastard! Weißt du, was ich mit ihm machen werde? Ich ...« Sie brach ab und schnappte nach Luft. Ihre Augen sprühten vor Zorn; sie fletschte die Zähne wie ein wildes Tier.
    »Du hast Recht, diesmal ist er entschieden zu weit gegangen.« Daghda war genauso empört wie sie, aber es war nicht seine Art, seiner Wut freien Lauf zu lassen.
    Etwas nie Dagewesenes war geschehen. Ein Sterblicher hatte sich erfrecht, mittels magischer Kräfte die Pläne und Absichten Morrighans ergründen zu wollen! Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hätte Daghda einen jeden, der sich eines so ungeheuerlichen Vergehens schuldig gemacht hatte, mit einer einzigen Handbewegimg ausgelöscht. Aber seine Macht war dahin. Heute hatte er Morrighan nur rechtzeitig wecken können, als er erkannt hatte, was mit ihr geschah. So war es ihr gelungen, den Sterblichen aufzuhalten und für diesen Frevel zu bestrafen - ihn und diese unverschämte kleine Fee Sinann. Dylan Matheson erwies sich in zunehmendem Maße als Ärgernis, und Daghda verspürte nicht übel Lust, sich des wertlosen Sterblichen ein für alle Mal zu entledigen.
    Doch im Moment hatte er alle Hände voll zu tun, Morrighan zu beruhigen. Wieder machte sie Anstalten, ihn abzuschütteln und aufzuspringen. Daghda verstärkte seinen Griff. »Das kleine Biest hat ihn Dinge gelehrt, die Sterbliche nicht wissen können!«, knirschte sie. Dabei hob und senkte ihre Brust sich heftig. Daghda sah sie wie gebannt an. Einen Moment lang schweiften seine Gedanken in eine ganz andere Richtung, dann konzentrierte er sich wieder auf ihr augenblickliches Problem.
    »Sprichst du von Sinann?«
    »Aye. Die Enkelin des Lir hat ihn in unsere Geheimnisse eingeweiht.«
    Daghda runzelte die Stirn. »Sterbliche haben sich schon seit jeher unserer Magie bedient.«
    Ein verächtlicher Unterton schwang in Morrighans Stimme mit. »Aber keiner von ihnen hatte bislang die Macht, in das Denken der Sidhe einzudringen. Sinann verfügt nur noch über geringe Kräfte, deswegen unterweist sie den Sterblichen in den Künsten der Magie. Sie hofft, durch ihn an ihr Ziel zu gelangen.«
    »Och.« Die bloße Vorstellung jagte Daghda einen Schauer über den Rücken. Aber dann meinte er beruhigend: »Er wird niemals so mächtig werden wie du oder sonst ein Angehöriger der Tuatha De Danann.«
    »Nein, das sicher nicht. Aber er verfügt schon jetzt über eine große Macht. Er weiß zu viel. Er weiß Dinge, von denen selbst ich keine Ahnung habe.«
    Daghda sah sie erschrocken an. Nackte Wut auf Sinann flammte in ihm auf.

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