Die Rettung
werden. Zwar war Vater Turnbull auf den Ländereien Iain Mór Mathesons von Ciorram in Sicherheit, doch musste man ihn unter Anwendung aller möglicher Listen und Tricks ins Tal hinein- und wieder herausschaffen. Dabei lief er die größte Gefahr, verhaftet zu werden.
Da die Clansleute ihrem Priester zuliebe große Risiken auf sich nahmen, fand Dylan eigentlich, dass der Mann seinen Beschützern gegenüber etwas mehr Wärme und Herzlichkeit an den Tag legen dürfte. Aber obwohl er die Gemeinde schon seit Jahren betreute, hatte Turnbull nie ein echtes Vertrauensverhältnis zu ihr aufbauen können. Er stolzierte nur mit dem falschen Lächeln eines Wanderpredigers durch das Tal und hielt seinen Schäfchen all ihre großen und kleinen Verfehlungen vor, und das auch noch in einem schauderhaften Gälisch. Dylan konnte nicht begreifen, wieso sich der Priester nie die Mühe gemacht hatte, die Sprache seiner Gemeinde korrekt zu erlernen. Er vermutete aber, dass Turnbull als Lowlander die Gälen für eine Bande ungebildeter Barbaren hielt, die ohnehin nur die Hälfte von dem verstanden, was er predigte. Seine Beziehimg zu den Gemeindemitgliedern war von Misstrauen und Spannungen geprägt. Solange sich diese schwarze Krähe in Ciorram und den umliegenden Tälern herumtrieb, drohte dem Katholizismus nach Dylans Ansicht nicht nur von dem König von England Gefahr.
Als es für den Priester an der Zeit war, die nächste Gemeinde zu besuchen, wurde ihm Dylan als Begleitschutz zugeteilt. Iain Mór teilte ihm Montagabend in der großen Halle mit, dass ihm die zweifelhafte Ehre erwiesen würde, Vater Turnbull am nächsten Morgen sicher nach Killilan zu bringen.
Dylan nickte wortlos. Der Priester bedachte ihn mit seinem breiten, aufgesetzten Lächeln, das Dylan gar zu gerne einmal nachgeäfft hätte, um Turnbull zu zeigen, dass er damit niemanden täuschen konnte. Doch er bezwang sich und bewahrte seine übliche undurchdringliche Miene.
Turnbull sagte auf Englisch, obwohl er wusste, dass einige der Anwesenden diese Sprache nicht beherrschten: »Ich freue mich, dass gerade du mich begleitest, mein Sohn. So haben wir endlich Gelegenheit, uns einmal ungestört miteinander zu unterhalten.«
Dylan erwiderte gleichfalls auf Englisch: »Vermutlich wollt Ihr mir durch die Blume zu verstehen geben, dass ich meine unsichtbaren Freunde zu Hause lassen soll, nicht wahr?« Sinann hatte sich allerdings schon einige Zeit nicht mehr blicken lassen. Dylan wusste nicht, ob er froh oder traurig darüber sein sollte.
Diejenigen, die Englisch verstanden, kicherten leise. Jeder im Tal wusste, dass Dylan im Verdacht stand, mit den Kleinen Leuten im Bunde zu sein, da er oft bei Selbstgesprächen ertappt wurde. Er pflegte dann stets zu behaupten, er habe nur gebetet, aber Turnbull glaubte ihm nicht. Und Dylans gelegentliche Ausflüge zum broch sowie sein an Zauberei grenzendes Geschick im Kampf verstärkten das Misstrauen des Priesters nur noch.
»In der Tat«, nickte Turnbull nachdrücklich. Er wusste sicherlich, dass die Bemerkung als Scherz gedacht war, tat aber so, als nehme er jedes Wort ernst.
Auf Dylans Gesicht trat jenes schalkhafte Grinsen, das seine Schüler im 20. Jahrhundert immer als sein »Bin-ich-nicht-ein-netter-Lehrer-Lächeln« bezeichnet hatten. »Gut, dann müssen sie eben ausnahmsweise einmal hier bleiben. Und wenn ihnen das nicht passt, werde ich ihnen sagen: >Nein, ihr dürft mich dieses Mal nicht begleiten, denn der gute Vater legt keinen Wert auf eure Gesellschaft. Wahrscheinlich hat er Angst vor euch.<« Wieder brachen seine Zuhörer in lautes Gelächter aus. Turnbull presste pikiert die Lippen zusammen.
Am nächsten Morgen kletterte Dylan bei Tagesanbruch in ein Fischerboot, das am Ufer der Insel festgemacht war. Hier lagen alle Boote des Dorfes, denn auf dieser Seite der Insel war der See ziemlich tief und fror nur selten zu. Am liebsten hätte er das schwere Netz, das vorne im Bug lag, über Bord geworfen, aber er war sicher, dass die Rotröcke ihn beobachteten. Er musste den Eindruck erwecken, als wolle er wirklich zum Fischen fahren. Ein paar Männer luden einen großen, mit einem Leinentuch bedeckten Korb ins Boot und stellten ihn neben dem Mast ab. Dort stand das Wasser ungefähr eine Handbreit hoch über dem Boden. Wenn sich das Leck als größer erwies, als der Besitzer des Bootes behauptet hatte, würde Dylan während des größten Teils der Fahrt Wasser ausschöpfen müssen. Dann wurde ein Leinensack über den Rand
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