Die Rettung
»Ich hoffe, du hast diese unverschämte Fee auf der Stelle getötet!«
Morrighan rollte sich zu ihm. Ein böses Lächeln spielte um ihre Lippen. »Ich habe ihr eine viel schlimmere Strafe zugedacht. Du weißt, dass ich mir nicht gern die Hände schmutzig mache.« Sie winkte abwehrend ab. »Ich schüre nur die Mordgier anderer. Sinann bleibt also am Leben, aber ich habe dafür gesorgt, dass sie fortan mit ihrem Schützling aus der Zukunft nicht mehr in Verbindung treten kann. Sie kann nicht mehr mit ihm sprechen, sich ihm nicht mehr zeigen, nichts. Für den Rest seines Lebens wird Sinann das Schicksal Dylan Mathesons tatenlos verfolgen müssen, ohne ihn beschützen oder ihn gar noch tiefer in die Geheimnisse der Sidhe einweihen zu können.«
Daghda schlang lächelnd die Arme um sie. »Du bist schon ein gerissenes Biest, mo caraid.«
8. Kapitel
Zwei weitere Tage war Dylan noch mit dem Düngen seiner Felder beschäftigt, dann konnte er sich dem Spinnen der Wolle und der Whiskybrennerei widmen. Er drosch und mahlte auch noch etwas Hafer, um den Mehlsack aufzufüllen, aus dem Sarah sich bediente, wenn sie Haferbrei zum Frühstück vorbereitete oder Bannocks buk. Dann kümmerte er sich um seine Rinder und Schafe, besserte das Strohdach seines Hauses aus und schnitzte nebenher auch noch einen kleinen Spieß für Ciaran, den der Junge für seinen Kung-Fu-Unterricht brauchte.
Jeden Morgen gab er, nachdem er sein eigenes Trainingsprogramm absolviert hatte, seinem Sohn eine kurze Unterrichtsstunde. Ciaran nahm auch an den Sonntagabend im Burghof stattfindenden Übungen teil, bei denen die Männer und älteren Jimgen von Ciorram in asiatischen Kampftechniken geschult wurden. Er war der Kleinste unter den Schülern und musste daher am meisten einstecken, doch er ließ sich nicht entmutigen und machte rasch Fortschritte. Manchmal konnte Dylan ein stolzes Lächeln nicht unterdrücken, wenn er zusah, wie tapfer sich Ciaran gegen den fast doppelt so großen, aber längst nicht so disziplinierten Gregor behauptete.
Nach dem Essen verbrachte Dylan meist einige Zeit damit, seinem Sohn Lesen und Englisch beizubringen, obwohl er erst in drei Jahren die Schule in der Burg besuchen würde. Sile blieb der Schulbesuch ohnehin verwehrt, da sie ein Mädchen war; sie würde ihre gesamte Ausbildung zu Hause erhalten, daher sah Dylan wenig Sinn darin, mit den ersten Lektionen zu warten, bis Ciaran sieben Jahre alt war.
Außer der Bibel und dem Gedichtband, den Cait mit in die Ehe gebracht hatte, besaß Dylan jetzt auch Ausgaben von Shakespeares Hamlet und Sir Thomas Mallorys Le Morte D'Arthur. In seiner eigenen Kindheit in der fernen Zukunft wären diese blutrünstigen Geschichten als Unterrichtsmaterial für Kinder ungeeignet gewesen. Doch in diesem Jahrhundert der öffentlichen Hinrichtungen, der Duelle mit Schwertern und Pistolen und der ständigen Bedrohung durch die englische Besatzungsmacht gehörte Gewalt für die Kinder zum täglichen Leben, daher ergab es wenig Sinn, sie auf literarischem Gebiet davor bewahren zu wollen. Außerdem waren Bücher teuer, schwer zu bekommen und die Themengebiete beschränkt. Dylan musste daher nehmen, was er ergattern konnte.
Nachdem er Ciaran unterrichtet hatte, während die zweijährige Sile im Haus spielte, las Dylan den Kindern vor, bis sie schläfrig wurden, und brachte sie dann zu Bett. Den Rest der langen Winterabende beschäftigte er sich mit Arbeiten, die er bei Kerzenschein in der Stube verrichten konnte. Dann holte er den Eimer mit Wasser, den er neben dem Feuer auf Zimmertemperatur erwärmt hatte, wusch sich und kroch ins Bett, wobei er stets betete, eine traumlose Nacht verbringen zu dürfen.
Während der nächsten Wochen ließ Morrighan ihn in Ruhe, worüber er sich sehr wunderte. Er kannte sie und ihresgleichen zu gut, um sich in der Illusion zu wiegen, sie würde seinen Frevel ungestraft hinnehmen. Das Warten machte ihn nervös, und sein Unbehagen wuchs noch, als der Gemeindepriester in Glen Ciorram eintraf.
Monatelang hatte sich Vater Turnbull nicht im Tal blicken lassen. In den Herrschaftsgebieten katholischer Lairds wurden die antikatholischen Gesetze nur sehr lasch gehandhabt, und so hätte der Priester in der alten Kirche gegenüber der Garnison relativ ungestört die Messe lesen können, vorausgesetzt, er wurde bei seiner Ankunft und Abreise nicht von den Engländern beobachtet. Doch da die Kirche in Sichtweite der Garnison lag, mussten strenge Vorsichtsmaßnahmen getroffen
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