Die Rettung
unbeobachtet glaubt. Vielleicht würde sich der Zustand Eures Beines bessern, wenn Ihr Euch von Euren unsichtbaren Begleitern lossagen würdet.«
Dem hatte Dylan nichts entgegenzusetzen, denn tatsächlich war ja Sinann der Grund für seine Beschwerden. Nur hatte sie ihm damals das Bein gebrochen, um zu verhindern, dass er etwas weit Dümmeres tat, als sich mit Feen zu unterhalten. Also schwieg er und starrte in das prasselnde Feuer.
Lange Zeit herrschte Stille, dann ergriff Turnbull wieder das Wort. »Ihr mögt mich nicht sonderlich, nicht wahr, Dylan Dubh?«
Dylan musterte ihn verstohlen. In welche Falle wollte der Mann ihn jetzt schon wieder locken? Er hatte nicht nur für Turnbull als Menschen nicht viel übrig, sondern traute ihm auch als Priester nicht über den Weg. Trotzdem legte er die Hände gegeneinander und erwiderte wahrheitsgemäß: »Ihr seid ein Mann Gottes und nehmt große Risiken auf Euch, um Eure Gemeinden betreuen zu können. Dafür respektiere ich Euch.« Wohlweislich verschwieg er, was er von dem anmaßenden, selbstherrlichen Auftreten des Priesters hielt und von seiner herablassenden Art, mit seinen Gemeindemitgliedern umzugehen.
Nachdem er einen Moment angestrengt nachgedacht hatte, holte Turnbull tief Atem und bemerkte salbungsvoll: »Den Leuten, die mich nicht mögen, fehlt es zumeist am wahren Glauben. Besonders häufig habe ich dies bei Protestanten beobachtet.« Dylan war augenblicklich auf der Hut. Würde er gleich auch noch beschuldigt werden, ein heimlicher Anhänger des Protestantismus zu sein? Doch der Priester fuhr fort: »Aber mit Euch verhält es sich wohl anders. Irgendetwas unterscheidet Euch von den Menschen hier, aber ich kann nicht sagen, was es ist.«
Dylan zuckte die Schultern. »Vielleicht liegt das daran, dass ich in Amerika geboren wurde.« In den vergangenen fünf Jahren hatte er diesen Umstand als Grund für all die Kleinigkeiten angegeben, in denen er sich von den anderen Mathesons unterschied.
Doch der Priester schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich eigentlich nicht. Wisst Ihr, mich verwirrt es, dass Ihr einerseits ein guter Katholik zu sein scheint, ein frommer Anhänger der wahren Religion, und dann wieder ...« Er begann zu stammeln, brach ab und setzte von neuem an: »Ich kann es wirklich nicht erklären. Mir kommt es so vor, als würdet Ihr Euch zwar nach außen hin wie ein guter Christ geben, aber zugleich all das verkörpern, was sich mit dem christlichen Glauben nicht vereinbaren lässt.«
Das hatte Dylan nicht erwartet. Er blickte Turnbull mit hochgezogenen Brauen fragend an.
»Ihr seht«, fuhr der Priester fort, »es ist schwierig, die richtigen Worte dafür zu finden.«
»Was tue ich denn, was sich mit dem christlichen Glauben nicht vereinbaren lässt?«
»Nun, es scheint Euch nicht im Geringsten zu stören, dass man Euch unterstellt, Ihr würdet mit Dämonen sprechen.«
Dylan schnaubte abfällig. »Da seid Ihr der Einzige, der das denkt. Zumindest seid Ihr der Einzige, der glaubt, ich wäre mit Dämonen im Bunde, und das kann eigentlich nur daran liegen, dass Ihr eine Zeit lang in Frankreich studiert habt. Diese Behauptungen stören mich nicht, weil sie aus der Luft gegriffen sind. Nichts davon trifft zu. Wenn es manchmal so aussieht, als würde ich mit unsichtbaren Wesen sprechen ... nun, Selbstgespräche helfen mir oft dabei, meine Gedanken zu ordnen.« Wie wahr. Die Unterhaltungen mit Sinann trugen oft dazu bei, ein ganz neues Licht auf manche Dinge zu werfen. Dann konnte er dem Drang, den so von sich selbst eingenommenen Gottesmann an einer empfindlichen Stelle zu treffen, nicht mehr widerstehen, und er fügte hinzu: »Wisst Ihr, sie ersetzen mir in gewisser Hinsicht die Beichte, wenn weit und breit kein Priester zu finden ist.«
Turnbull presste die Lippen zusammen; seine Mundwinkel zogen sich nach unten. »Ich würde mir jedenfalls weniger Sorgen um Euer Seelenheil machen, wenn mir nicht so oft zu Ohren kommen würde, dass Ihr einen großen Teil Eurer Zeit damit verbringt, dort oben in dem alten Turm Blätter zu verbrennen.« Es klang, als glaube der Priester, Dylan würde dort Satansanbetung betreiben - eine typisch kontinentale Verallgemeinerung heidnischer Riten. Vater Buchanan hatte in diesem Punkt ganz andere Ansichten gehabt, denn er war in Schottland aufgewachsen und ausgebildet worden.
Dylan nagte einen Augenblick lang an seiner Unterlippe, dann fragte er: »Vater, glaubt Ihr an Feen?«
Der Priester schüttelte den
Weitere Kostenlose Bücher