Die Rettung
anhalten, das wusste er aus leidvoller Erfahrung. Er hatte schon mehrere Gehirnerschütterungen hinter sich und kannte die Anzeichen. Übelkeit stieg in ihm auf, als er seufzend den Hang hochkroch.
Die Lichtung lag verlassen da. Wahrscheinlich hatte Bedford den Priester zur Garnison mitgenommen und Dylan unter dem Gestrüpp nicht entdeckt. Der Priester würde nach Fort William überführt, dort vor Gericht gestellt und dann nach Amerika deportiert werden. Dylan wurde das Herz schwer, als er daran dachte. Seitdem so viele Schotten verhaftet und deportiert wurden, fing auch er allmählich an, die Fahrt zurück in seine Heimat als schlimmeres Schicksal als den Tod zu betrachten. Humpelnd machte er sich auf den Weg zum Seeufer, wo er das Boot zurückgelassen hatte.
Als der See in Sicht kam, verlangsamte er seine Schritte, kroch lautlos im Schutz der Dunkelheit zwischen Bäumen und Farnen hindurch auf den Uferrand zu und spähte zu dem Boot hinüber. Es lag noch immer dort, wo er es festgemacht hatte. Das aufgerollte Segel schlug leise gegen den Mast. Dylan blieb stehen und lauschte aufmerksam ins Dunkel.
Außer dem klatschenden Geräusch des Segels und dem Knirschen des Eises hörte er auch noch ein leises Flüstern. Nach ein paar Sekunden konnte er die Richtung bestimmen, aus der es kam. Sie lauerten links von ihm hinter den Bäumen. Zwei Rotröcke, die darauf warteten, dass er zu seinem Boot zurückkehrte. Verdammter Mist.
Behutsam zog sich Dylan wieder zurück, um einen weiten Bogen um das Seeufer zu schlagen und zu Fuß nach Ciorram zurückzukehren. Er fragte sich, ob Bedford ihn wohl erkannt hatte. Vermutlich nicht. Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätten die Dragoner ihn verfolgt, und er hätte das Bewusstsein wahrscheinlich nie wiedererlangt.
Während er durch den nächtlichen Wald wanderte, schienen sich die Bäume immer tiefer zu ihm hinabzuneigen. Die Zweige der Kiefern und Eichen, die den Pfad säumten, knarrten leise im Wind. Dylan konnte ihre Missbilligung geradezu spüren. Sie warfen ihm vor, dass der Priester den Engländern in die Hände gefallen war.
In seinem momentanen Zustand war er nicht in der Stimmung, sich das noch länger anzuhören. »Ich konnte es nicht verhindern. Jetzt seid endlich still, Bäume!«
Das Rascheln und Knarren verstummte.
Das ganze Tal vernahm die Nachricht von der Ergreifung Vater Turnbulls mit Entsetzen. Dylan erstattete Iain Mór in der großen Halle Bericht. Artair, der ganz in der Nähe auf einer Bank hockte, sprang empört auf und marschierte mit finsterer Miene auf ihn zu.
»Du hast zugelassen, dass sie unseren Gemeindepriester verhaften? Das hätte ich mir denken können!«
Dylan gab keine Antwort. Er empfand selbst tiefe Scham über sein Versagen, die seine Kopfschmerzen und die Übelkeit nur noch verstärkte. Artairs Worte drangen gar nicht in sein Bewusstsein. Iain wollte Einzelheiten wissen, und Dylan berichtete, was geschehen war. Der Laird hörte ihm mit ausdruckslosem Gesicht zu. Als Dylan geendet hatte, nickte er nur und winkte einen jungen Burschen herbei. Inzwischen ließ Artair weiterhin boshafte Bemerkungen über Männer fallen, die anscheinend nicht einmal der einfachsten Aufgabe gewachsen wären. Schließlich brachte Iain ihn zum Schweigen, indem er laut und vernehmlich verkündete, wenn Dylan Vater Turnbull nicht hätte beschützen können, dann wäre es auch niemand anderem gelungen.
Der junge Bursche wurde nach Killilan geschickt, um dort von der Festnahme des Priesters zu berichten. Dann ging Iain mit Dylan und Artair zum Kamin hinüber, wo Malcolm seine alten Knochen am Feuer wärmte, um die Angelegenheit zu besprechen. Die Diskussion dauerte fast bis zum Sonnenaufgang, denn die Lage war ernst. Der Clan durfte nicht widerspruchslos dulden, dass sein Priester deportiert wurde.
In Ermangelung besserer Vorschläge beschloss man, eine Eingabe bei der hiesigen Garnison zu machen und die Freilassung des Priesters zu fordern. Außerdem wurde eine Nachricht an den Duke of Gordon gesandt, die aber wenig Erfolg versprach. Die protestantische Regierung achtete streng auf die Einhaltung der Gesetze und war nicht zu Ausnahmeregelungen bereit.
Die Bittschrift wurde aufgesetzt und eingereicht, aber niemals beantwortet. Vater Turnbull war in Ausübung seines Amtes als katholischer Priester verhaftet worden und wurde unverzüglich nach Fort William überstellt.
Dylan kam über diese Demütigimg lange nicht hinweg.
9. Kapitel
Sowie sich die Aufregung
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