Die Revolution der Ameisen
Seerosen sind mit schußbereiten Soldatinnen besetzt. Nr. 24 sendet aus dem Schilf verzweifelte Hilferufe.
Tote Ameisen treiben im Wasser. Ihre Körper sind so aufgequollen, daß man nicht mehr erkennen kann, zu welchem Lager sie gehört haben. Jedenfalls muß hier ein schwerer Kampf getobt haben.
Die roten Ameisen von Cornigera haben geglaubt, man könne sein ganzes Leben mit Geschichtenerzählen verbringen, doch das war ein Irrtum. Es genügt nicht, Geschichten zu erfinden und zu erzählen – man darf dabei die Realität nicht aus den Augen verlieren.
Auf dem Schiff zerbrechen sich Nr. 103 und die anderen Ameisen ihre Köpfe. Feuer ist keine praktische Waffe, wenn man aus größerer Entfernung operieren will. Wie sollen sie die von Zwerginnen besetzten Seerosen in Brand setzen?
Nr. 103 erinnert sich vage an eine Maschine der Finger, ein sogenanntes Katapult, und zeichnet mit der Fühlerspitze die Umrisse dieser Vorrichtung auf den Schildkrötenpanzer, aber keiner versteht, warum das Feuer sich in die Lüfte schwingen sollte, wenn man es in ein Katapult legte. Und außerdem – wo sollten sie so ein Ding hernehmen?
Nr. 6 hat eine praktischere Idee. Man könnte die Kieselsteine mit der Glut auf schwimmende Blätter umladen, und die Wasserkäfer könnten sie zu den Seerosen schieben. Doch das läßt sich leider nicht in die Tat umsetzen, weil die Wasserkäfer panische Angst vor Feuer haben und sich strikt weigern, auch nur in seine Nähe zu kommen.
Ein Vorschlag von Nr. 5 findet schließlich allgemeine Zustimmung: Sie meint, man solle das Ende eines langen Zweiges anzünden und die Seerosen damit berühren.
Die Ameisen halten Ausschau nach einem solchen Zweig, entdecken einen in den Büschen dicht am Wasser und holen ihn an Bord. Gleich darauf müssen sie in Deckung gehen, denn ein regelrechter Regen von Ameisensäure ergießt sich über die Schildkröte. Höchste Zeit, die Spitze des trockenen Zweigs in die Glut zu halten! Er fängt Feuer, und sie richten ihn schnell auf. Nr. 14 ortet, wo die meisten Feinde sind, und der glühende Spieß wird in die richtige Position gebracht. Er rammt die Seerose, aber ihre Blätter sind so feucht, daß das Feuer ihr im ersten Moment nichts anhaben kann. Dafür schwankt sie aber so stark, daß die Zwerginnen das Gleichgewicht verlieren und ins Wasser stürzen.
Bei diesem Anblick schöpfen die Belagerten neue Hoffnung.
Für den Endkampf haben sie noch etwas Säure reserviert, und damit richten sie jetzt in den feindlichen Reihen erheblichen Schaden an.
Die Ameisen auf dem Kriegsschiff haben inzwischen begriffen, daß die zartesten Blütenblätter am leichtesten Feuer fangen, und nun gelingt es ihnen, eine Seerose nach der anderen in Brand zu setzen. Gewaltige Rauchwolken steigen auf, und zusammen mit dem Gestank löst das bei den Zwergameisen Panik aus. Sie flüchten in wilder Hast.
Die Belokanerinnen hatten nicht einmal Gelegenheit, ihr Geschick im Nahkampf mit Mandibeln unter Beweis zu stellen, was die kriegerische Nr. 13 sehr bedauert. Sie hätte für ihr Leben gern wenigstens zwei oder drei dieser unverschämten Zwerginnen massakriert.
Zum Schrecken aller brennt der Zweig, der bisher nur an einem Ende geglüht hat, plötzlich lichterloh. Sie können ihn gerade noch rechtzeitig ins Wasser schleudern. Feuer ist eben doch eine sehr gefährliche Waffe, die sich sehr schnell gegen jeden richten kann, der sie einsetzt.
Das Schiff legt am Schilfrohr an.
Hoffentlich hat Nr. 24 überlebt, denkt die Prinzessin.
104. DIE SCHLACHT AM GYMNASIUM
Etwa 500 Personen waren vom Kulturzentrum aufgebrochen, aber unterwegs hatten sie viel Zulauf gehabt. Über 80\1 Demonstranten zogen nun zu dem großen Platz vor dem Gymnasium.
Es war keine Kundgebung, bei der irgendwelche politischen Forderungen gestellt wurden, sondern einfach ein Karneval, ein Karneval im ursprünglichen Wortsinn.
Im Mittelalter hatte der Karneval eine besondere Bedeutung.
Es war der Tag der Narren, an dem sich jeder abreagieren konnte, an dem alle Gesetze außer Kraft gesetzt waren. Man durfte Gendarmen am Schnurrbart zupfen und Stadträte ins Wasser stoßen. Man durfte an fremde Türen klopfen und Respektspersonen mit Mehl überschütten. Und es wurde eine riesige Strohpuppe verbrannt, der ›Trottel Karneval‹ der alle Autoritäten symbolisierte.
Weil es diesen Karnevalstag gab, wurden die Machthaber das ganze Jahr über respektiert. Heutzutage hat man den eigentlichen Sinn dieser soziologisch
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