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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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rief Breandán ihn noch einmal zurück. »Wartet. Ich habe noch eine Bitte. Wäre es Euch möglich, Pater Ó Murchú zu mir zu schicken? Ich würde gerne bei einem Landsmann die Beichte ablegen. Bitte nehmt mir das nicht übel.«
    Jeremy versuchte, sich nicht verletzt zu fühlen, aber er war es trotzdem. Auch wenn Breandáns Bitte verständlich war, bewies sie doch, dass der junge Mann ihm, trotz allem, was er für ihn getan hatte, noch immer nicht völlig vertraute. Er verheimlichte etwas vor ihm, etwas, das in seinen Augen so schrecklich war, dass er es lieber mit ins Grab nehmen, als darüber sprechen wollte.

    Amoret erwachte aus unruhigem Schlaf, überwältigt von dem Gefühl eines unermesslichen Verlustes, von grenzenloser Leere und Einsamkeit. Unwillkürlich tastete ihre Hand neben ihr über die Bettlaken, auf der Suche nach dem warmen schlanken Körper, an dessen Nähe sie sich gewöhnt hatte. Doch er war nicht mehr da, sie war allein. Erschrocken riss sie die Augen auf und drehte sich zur Seite, als die Erinnerung in ihr Bewusstsein drang und sie mit Angst erfüllte. Ausgelöst durch die ruckartige Bewegung, durchfuhr ein schneidender Schmerz Amorets Leib, und sie musste sich zurücklehnen, um nach Luft zu schnappen. Das Kind, das sie trug, war zu einer kaum erträglichen Last geworden. In ihrer Sorge um Breandán hatte sie die Veränderungen, die in ihrem Körper vorgingen, so weit wie möglich auszublenden versucht, und wenn das heranwachsende Wesen in ihrem Bauch sie schmerzhaft an seine Existenz erinnerte, geriet sie darüber in Wut, weil sie sich bewusst wurde, dass sie seine Gefangene war. Das Kind hinderte sie daran, Breandán im Kerker aufzusuchen und ihm in seiner Not beizustehen, wie sie es sich wünschte. Unablässig dachte sie an ihn, stellte sich vor, wie er in Ketten auf der bescheidenen Bettstatt lag, von undurchdringlichen Mauern und eisernen Gitterstäben umgeben, abgeschnitten von Sonne und Luft, der Hoffnungslosigkeit nahe. Und sie gab sich die Schuld an seiner misslichen Lage, weil sie es zugelassen hatte, dass er, um bei ihr zu sein, sich zu so unchristlicher Stunde durch die Straßen von London hatte begeben müssen. Vielleicht hätte sie darauf bestehen sollen, dass er später aufbrach, oder sie hätte ihm einen ihrer Diener mitgeben können. Sie wusste, es war zu spät, um sich mit derlei Selbstanklagen zu quälen, aber sie konnte ihre Gedanken keiner anderen Sache zuwenden.
    Schwerfällig mühte sich Amoret aus dem Bett und rief nach ihrer Zofe. Es war der Tag, an dem die Gerichtssitzung eröffnet wurde. In wenigen Stunden würde Breandán vor der Jury stehen, deren Aufgabe es war, über sein Leben zu entscheiden. Und Amoret hatte sich geschworen, dabei zu sein. Es hatte sie einen erbitterten Kampf mit Pater Blackshaw gekostet, der sich – nicht gerade zu ihrer Überraschung – entschieden geweigert hatte, eine Hochschwangere mit zu Gericht zu nehmen. Er gab erst zähneknirschend nach, als sie ihm ebenso entschlossen drohte, auch allein dorthin zu gehen, wenn es sein müsse. Nichts würde sie abhalten, Breandán zu sehen und ihm – wenn auch nur aus der Ferne – bei seiner schwersten Prüfung beizustehen, auch nicht ihr Beichtvater, nicht einmal der Teufel persönlich, versicherte sie starrsinnig. Dem Jesuiten blieb keine Wahl, als ihr zu versprechen, dass er sie abholen und mit ihr zum Old Bailey fahren würde. Nur so konnte er ein wachsames Auge auf sie haben.
    Amoret war fertig angekleidet, und ihre Kutsche stand bereit, als Jeremy in Hartford House eintraf.
    »Wollt Ihr es Euch nicht noch einmal überlegen, Mylady?«, bat er inständig. »Allein die Fahrt in der Kutsche ist für eine Frau in Eurem Zustand gefährlich.«
    »Pater, versteht doch, ich muss ihn sehen! Ich muss wissen, was mit ihm geschieht. Ich könnte es unmöglich ertragen, zu Hause zu sitzen und zu warten, während Breandán um sein Leben kämpft.«
    »Also gut, Unverbesserliche. Dann lasst uns aufbrechen, damit wir nicht in das Gewühl von Schaulustigen geraten, das bei einem so aufsehenerregenden Fall zu erwarten sein wird.«
    Amoret versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie sich an diesem Morgen noch schwerfälliger fühlte als in den vergangenen Tagen. Das Kind lag schwer wie ein Fels in ihr, als suche es bereits einen Ausgang aus seinem paradiesischen, aber zu engen Gefängnis. Obwohl es ihre erste Schwangerschaft war, ahnte Amoret, dass der Zeitpunkt der Geburt nahe bevorstand, doch sie

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