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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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nicht sagen wollte, was sich zwischen ihm und Sir John Deane abgespielt hatte. Ich nahm an, Deane hätte ihn beschimpft und seinen empfindlichen irischen Stolz verletzt. Und ich verstand einfach nicht, weshalb es Breandán so schwer fiel, darüber zu reden. Doch inzwischen glaube ich, dass ich ihn unterschätzt habe. Deane beleidigte nicht ihn, sondern Euch! Breandán ging auf ihn los, nicht weil er seine Ehre verteidigen wollte, sondern Eure.«
    »Aber warum schweigt er darüber?«, warf Amoret ein.
    »Vielleicht, weil er weiß, wie nahe wir beide uns stehen. Er wollte mir gegenüber die schmutzigen Worte nicht wiederholen, die ihm der Ratsherr an den Kopf geworfen hatte. Deshalb legte er auch bei Pater Ó Murchú die Beichte ab und nicht bei mir. Und ich Dummkopf war gekränkt, weil ich ihn für undankbar hielt.«
    »Macht Euch deshalb keine Vorwürfe, Pater. Breandáns Schweigsamkeit kann den geduldigsten Menschen zum Wahnsinn treiben«, seufzte Amoret. Sie ließ sich gerade die Schuhe überstreifen, als ihr Blick auf das Tablett fiel, auf dem man ihr ein Glas Milch und ein wenig Gebäck als Frühmahl serviert hatte. »Lässt man ihn wirklich hungern?«
    »Ich fürchte, ja. Jedenfalls solange er sich weigert, nachzugeben.«
    Amoret gab der Zofe die Anweisung, in die Küche zu laufen und etwas zu essen und zu trinken einzupacken.
    Jeremy runzelte skeptisch die Stirn. »Die Wache wird nicht erlauben, dass Ihr ihm etwas mitbringt. Ihr müsstet es schon gut in Euren Kleidern verstecken.«
    »Das werden wir ja sehen«, verkündete Amoret trotzig. »Ich schwöre Euch, wenn man mich hindert, einem armen Gefangenen etwas Verpflegung zuzustecken, werde ich ihn wie ein Kind an meiner Brust nähren!«
    Angesichts ihres Kampfgeistes musste Jeremy lächeln. Er zweifelte nicht, dass sie meinte, was sie sagte. Ihr weiblicher Erfindungsgeist hatte ihn schon immer beeindruckt.
    Bevor sie aufbrachen, steckte Amoret noch einen Geldbeutel ein. Ein Boot brachte sie flussabwärts nach Blackfriars, und als das mächtige Torhaus vor ihnen auftauchte, überkam die junge Frau ein Gefühl der Beklemmung. Sie hatte das Newgate schon oft mit der Kutsche durchquert, doch es war das erste Mal, dass sie einen Fuß ins Innere setzte.
    Jeremy warnte sie vor den abscheulichen Zuständen, die sie dort erwarteten, und riet ihr, sich ein Taschentuch vor Mund und Nase zu halten. Amoret begriff sofort, warum. Sie war zwar üble Gerüche gewöhnt, denn die Straßen von Westminster dufteten auch nicht gerade nach Rosen, aber der bestialische Gestank, der dem Kerker entströmte, übertraf ihre schlimmsten Erwartungen. Bleich vor Übelkeit folgte sie Jeremy durch die große Halle, in der sich unzählige Besucher drängten und in der es folglich zuging wie auf einem Jahrmarkt. Dirnen boten sich den Häftlingen an, Taschendiebe huschten zwischen den Menschen hindurch und griffen immer wieder unauffällig zu. Man sah Kinder, die von ihren Müttern ins Gefängnis gebracht wurden, um ihre dort einsitzenden Väter zu begrüßen. Amoret war völlig fassungslos. »Ist das der Vorhof zur Hölle?«, murmelte sie zynisch.
    Als sie zu den Einzelzellen gelangten, in denen gewöhnlich die zum Tode Verurteilten untergebracht waren, ließ der ohrenbetäubende Lärm nach. Jeremy winkte den Schließer, der ihn schon kannte, zu sich.
    »Wollt Ihr dem Gefangenen die letzten Stunden versüßen?«, fragte der Mann mit einem unverschämten Blick auf Amoret. »Das ist eigentlich gegen die Regeln. Ihr dürft ihm auch nichts zu essen geben«, fügte er hinzu, als er die Flasche und das Bündel bemerkte, die sie im Arm trug.
    Amoret griff mit abfälliger Miene in ihre Geldbörse und holte eine Münze hervor. »Es wird Euer Schaden nicht sein, wenn Ihr ein Auge zudrückt.«
    Der Wächter machte ein verblüfftes Gesicht, als er das Gold im Licht der Fackeln aufglänzen sah. »Eine Guinee! Richtet ihm meinetwegen ein Festmahl her. Ich habe nichts gesehen.« Mit geradezu glasigen Augen wendete er die Goldmünze zwischen den Fingern, bevor er sie einsteckte und ihnen die Zellentür aufsperrte.
    Breandán, der ausgestreckt auf dem Bett lag, hob bei ihrem Eintreten den Kopf. »O nein!«, stöhnte er. »Wie konntet Ihr sie herbringen?«
    Amoret warf Jeremy einen beschwichtigenden Blick zu. »Lasst mich nur machen.«
    Daraufhin zog sich der Jesuit in eine Ecke der Zelle zurück und setzte sich mit angezogenen Knien auf den Steinboden.
    Amoret versuchte, sich ihre Bestürzung über Breandáns

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