Die Richter des Königs (German Edition)
schüttelte. »Das ist unmöglich, Madam.«
Diese kurze, unmissverständliche Antwort traf Amoret wie ein Schlag. Im ersten Moment war sie wie erstarrt. All die Worte, die sie sich zurechtgelegt hatte, entglitten ihr.
Charles sah die Fassungslosigkeit auf ihrem Gesicht und verspürte auf einmal Mitleid mit ihr und das Verlangen, seine Unnachgiebigkeit zu rechtfertigen, auch wenn es einem König nicht angemessen war, sein Handeln zu erklären. »Madam, Ihr wisst, wie teuer mir Eure Freundschaft ist. Ihr habt gerade erst meinen Sohn zur Welt gebracht. Ich würde Euch gerne jeden Wunsch erfüllen, um Euch glücklich zu sehen. Ginge es um einen Dieb oder gar um jemanden, der den König beleidigt hat, würde ich Euch den Gefallen tun und ihn sofort begnadigen. Aber dieser Bursche wurde des Mordes für schuldig befunden. Vergebt meine harten Worte, Madam, aber ein solcher Mann ist meiner Gnade nicht würdig – ebenso wenig wie Eurer Fürsprache.«
»Ich versichere Euch, Sire, er ist unschuldig. Er hat diesen Mord nicht begangen.«
»Wäre das der Fall, so hätte ihn die Jury nicht schuldig gesprochen«, widersprach der König.
»Er wurde auf raffinierte Weise hereingelegt. Der wahre Mörder ist noch immer frei.«
»Das erscheint mir höchst unglaubwürdig«, meinte Charles skeptisch.
Amoret spürte, wie sie Verzweiflung überkam. Ohne nachzudenken, warf sie sich dem König zu Füßen. »Ich flehe Euch an, Sire, schickt nicht einen unschuldigen Mann in den Tod. Er hatte nie die Absicht, Euch zu beleidigen. Ich habe ihn mir zum Liebhaber genommen. Er trägt keine Schuld.«
Charles beugte sich über sie und ergriff unsanft ihr Handgelenk, um sie wieder auf die Beine zu ziehen. »Steht auf, Madam«, gebot er, und seine Stimme klang verärgert, »schätzt Ihr Euren König so gering, dass Ihr glaubt, ich würde einem Mann aus Eifersucht meine Gnade verweigern? Ich wünschte, es wäre mir möglich, sein Leben zu retten, denn ich will nicht, dass man sagt, ich hätte skrupellos einen Rivalen aus dem Weg geräumt. Ich hege keinen Groll gegen ihn oder gegen Euch.«
»Dann gewährt ihm Gnade.«
»Ich kann einen verurteilten Mörder nicht begnadigen!«, donnerte Charles, doch im nächsten Moment tat es ihm Leid, sie so grob behandelt zu haben. »Begreift doch. Es ist nicht allein die Tatsache, dass er einen Mord begangen hat. Er hat einen Ratsherrn der Stadt London getötet, einen der einflussreichen Kaufleute, die mir das Leben schwer machen. Habt Ihr vergessen, dass wir uns im Krieg befinden? Die Flotte verschlingt Unsummen. Und die Staatskasse ist leer. Ich bin diesen machthungrigen Krämern ausgeliefert, denn sie sind es, die mir das Geld bewilligen, ohne das ich nicht regieren kann. Ich kann es mir nicht leisten, sie gegen mich aufzubringen, indem ich meiner Mätresse zuliebe einen Mörder begnadige, der einen aus ihren Reihen umgebracht hat.«
»Aber Ihr seid der König!«, wandte Amoret ein. »Was können diese Bürgersleute Euch anhaben?«
»Meine Liebe, ich habe nicht die Macht des Königs von Frankreich, der alles durchsetzen kann, was er will. Ich war lange Zeit ein König ohne Königreich und bin heute nur hier, weil man mir gestattete, zurückzukehren. Aber mein Thron steht auf tönernen Füßen. Ein falscher Schritt kann mich nicht nur die Krone, sondern vielleicht sogar mein Leben kosten. Sie haben sich nicht gescheut, meinem Vater den Kopf abzuschlagen, und ich hege nicht das geringste Verlangen, dasselbe Schicksal zu erleiden.«
Amoret war verstummt. Was konnte sie jetzt noch sagen? Plötzlich spürte sie Tränen in ihren Augen aufsteigen und versuchte, dagegen anzukämpfen.
Nun, da er seinem Ärger Luft gemacht hatte, trat Charles mit nachsichtiger Miene zu ihr und strich mit dem Finger über ihre Wange, um die feuchte Spur wegzuwischen, die auf ihrer Haut glänzte.
»Ich verstehe Euch gut, meine süße Amoret«, sagte er in sanfterem Ton. »Ihr scheint diesen Burschen wirklich zu lieben. Es ist bedauerlich, dass Ihr Euch den falschen Mann ausgesucht habt.«
»Er ist nicht der Falsche«, widersprach sie trotzig. »Er ist der Einzige. Und er ist unschuldig. Euer Majestät, wollt Ihr einen Unschuldigen opfern, nur um der Bürgerschaft von London zu gefallen? Ihr habt einmal gesagt, dass Ihr mich schätzt, weil ich nie etwas von Euch verlange. Heute aber bitte ich Euch um das Leben eines Mannes, der nichts Unrechtes getan hat. Ich flehe Euch an, im Namen Eures Sohnes, den ich monatelang unter dem
Weitere Kostenlose Bücher