Die Richter des Königs (German Edition)
Herzen getragen habe.«
»Ihr seid aufreibend«, grollte Charles. »Ihr behauptet, der Bursche sei unschuldig. Dann bringt mir Beweise, die eine Begnadigung rechtfertigen würden.«
»Sire, wenn es Beweise gäbe, hätten wir sie schon beim Prozess vorgelegt«, entgegnete Amoret entmutigt.
»Versucht, mich zu verstehen«, erklärte der König mit einem Seufzen. »Ich kann Eurem Freund nicht helfen, solange es keinen Zweifel an seiner Schuld gibt. Aber wenn es Euch gelingt, mir einen eindeutigen Beweis seiner Unschuld vorzulegen, so verspreche ich Euch, dass ich ihm einen Gnadenerlass gewähren werde. Mehr kann ich nicht tun. Und nun erzählt mir von meinem Sohn, Madam.«
Der Himmel hatte sich mit grauen Wolken bezogen, und es begann zu nieseln. Jeremy wich unter das vorkragende obere Stockwerk eines Fachwerkhauses zurück und wippte auf den Fußballen hin und her, die vom langen Stehen schmerzten. Er wartete nun schon eine geraume Weile in der Broad Street, in einiger Entfernung vom Haus des ermordeten Ratsherrn, und ließ es dabei keinen Moment aus den Augen. Endlich entdeckte er den Lakaien, den er vor dem Prozess schon einmal ausgehorcht hatte und von dem er wusste, dass er bestechlich war. Das geduldige Ausharren hatte sich gelohnt.
Rasch folgte Jeremy dem Diener die Gasse hinunter, und da dieser sich nicht sonderlich beeilte, holte er ihn mühelos ein.
»Oh, Ihr seid das«, rief der Lakai überrascht. »Ich habe Euch schon alles gesagt, was ich weiß«, fügte er bedauernd hinzu.
»Du kannst etwas anderes für mich tun, Henry. Lass mich heute Nacht in das Haus deines ehemaligen Herrn.«
»Was wollt Ihr da?«
»Nur keine Sorge. Ich will nichts stehlen«, beruhigte Jeremy den misstrauisch dreinblickenden Diener. »Ich muss mich in Sir Johns Schreibstube umsehen. Es ist sehr wichtig. Das Leben eines Menschen könnte davon abhängen.«
»Ich weiß nicht. Wenn man mich dabei erwischt, bin ich meine Anstellung los.«
Jeremy holte eine Guinee aus seinem Geldbeutel hervor und hielt sie Henry vor die Nase. »Du bekommst noch einmal zehn davon, wenn du mir heute Nacht die Tür öffnest.«
Der Lakai griff nach der Goldmünze und bestaunte sie von beiden Seiten. Guineen wurden erst seit zwei Jahren geprägt. Sicher hatte er noch keine zu Gesicht bekommen. »Zehn, sagt Ihr?«
»Ja.«
»Also gut, aber heute Nacht geht es nicht. Es ist Waschtag. Die Mägde werden bis in die frühen Morgenstunden arbeiten.«
»Dann morgen Nacht!«, drängte Jeremy. »Später darf es nicht sein.«
»Morgen also«, stimmte Henry schließlich zu. »Seid um Mitternacht an der Gesindetür. Ich lasse Euch ein.«
Jeremy war frühzeitig zur Stelle. Bevor er leise an der Eichentür kratzte, um sein Eintreffen anzuzeigen, sah er sich noch einmal aufmerksam um, ob auch kein Nachtwächter in der Nähe war. So unfähig diese Ordnungshüter auch waren, so kam es doch vor, dass sie nächtliche Passanten anhielten und nach Werkzeug oder Diebesgut durchsuchten. Und Jeremy hatte keine Lust, einem neugierigen Hellebardenträger erklären zu müssen, weshalb er mit einem Beutel voller Goldmünzen durch die dunklen Londoner Gassen wanderte. Amoret hatte ihm das Geld ohne Zögern zugesteckt, als er sie am Morgen aufgesucht hatte. Der erfolglose Ausgang ihrer Unterredung mit dem König überraschte ihn nicht besonders. Freilich hätte er es vorgezogen, wenn Charles sich seiner Mätresse zuliebe gnädig erwiesen hätte, aber es sollte eben nicht sein. Als Jeremy ihr erzählte, wozu er das Geld brauchte, beschwor sie ihn voller Sorge, vorsichtig zu sein, obwohl sie gerührt war, wie viel er für Breandán wagen wollte. Alan hatte ähnlich reagiert. Jeremy konnte ihn nur mit Mühe daran hindern, ihn zu begleiten. Es genüge, wenn sich einer von ihnen in Gefahr begebe, hatte er abgewehrt.
Als Henry ihm mit einer Kerze in der Hand leise die Tür öffnete, verdrängte Jeremy alle Gedanken an das Risiko und konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Er übergab dem Lakaien die Goldmünzen und folgte ihm in den ersten Stock hinauf.
»Hier ist die Studierstube meines Herrn«, flüsterte der Diener, während er auf eine Tür zu ihrer Rechten wies.
Leise traten sie ein. Jeremy nahm Henry die Kerze aus der Hand und stellte sie auf die Schreibkommode. Dann setzte er sich auf den Stuhl, der davor stand, öffnete den schrägen Scharnierdeckel und sah die in dem darunter liegenden Fach befindlichen Papiere durch. Es waren hauptsächlich Notizen und einige
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