Die Richter des Königs (German Edition)
Gottesdienst beiwohnen wollten, keinen Einlass fanden. In ihrer Gier, einen unverstellten Blick auf die Unglücklichen zu erhaschen, stießen die Gaffer sich einander die Ellbogen zwischen die Rippen, überschütteten den einen oder anderen, der nicht Platz machen wollte, mit Beschimpfungen und trampelten sich auch ab und zu gegenseitig nieder. »Da, das ist der Kerl, der den Ratsherrn aufgeschlitzt hat …«, »… der Straßenräuber hat ganz Hampstead Heath unsicher gemacht …«, »… ich schicke einen meiner Diener frühzeitig nach Tyburn, um mir einen guten Platz für die Hinrichtung zu sichern …« So summte und brummte es in der Kapelle, während die zum Tode Verurteilten vor ihren Särgen saßen und die Predigt des Ordinarius im Lärm unterging.
Einer der beiden Männer, die am nächsten Morgen mit Breandán zusammen gehängt werden sollten, brach in Tränen aus und konnte sich bis zum Ende des Gottesdienstes nicht mehr beruhigen. Der Ordinarius lächelte gerührt, da er den Gefühlsausbruch des Gefangenen auf seine bewegende Predigt zurückführte.
Vierzigstes Kapitel
A lan hob die beiden Botschaften ins Licht und hielt sie nebeneinander. »Unfassbar«, murmelte er. »Es sieht tatsächlich so aus, als wären sie von derselben Person geschrieben worden.« Er ließ die Zettel wieder sinken. »Aber was hat das zu bedeuten?«
»Das ist doch offensichtlich«, gab Jeremy ungeduldig zurück. »Derjenige, der damals versuchte, Euch zu töten, ist identisch mit der Person, die Deane ermordet hat.«
»Aber aus welchem Grund will jemand drei Richter, einen Kronanwalt, einen Wundarzt und einen Kaufmann umbringen? Wo ist der Zusammenhang?«, warf Alan die alles entscheidende Frage in den Raum.
»Wenn ich das wüsste!«, seufzte Jeremy zerknirscht.
»Nun, ich kann mir denken, dass die Richter nicht bei jedermann beliebt waren«, führte Alan aus. »Und Sir John hat sich während seiner Amtszeit als Lord Mayor auch nicht gerade Freunde gemacht …«
Jeremy zuckte zusammen und wandte seinem Freund ruckartig das Gesicht zu. »Heilige Jungfrau, ich bin so blind gewesen. Wie konnte ich das nur übersehen?«
Der Wundarzt starrte ihn entgeistert an, wagte jedoch nicht, seinen Gedankengang zu unterbrechen.
»Alan, habt Ihr damals auch schon für den Leichenbeschauer gearbeitet?«, fragte Jeremy ohne Überleitung.
»Wann?«
»Als Deane Lord Mayor war.«
»Ja.«
»Und hat man Euch als Zeuge der Krone bei Prozessen vorgeladen?«
»Ja, oft sogar. Aber worauf wollt Ihr hinaus?«
»Ich weiß jetzt, was hinter den Morden steckt. Ich muss nur noch einige Akten überprüfen. Am besten gehe ich sofort zu Richter Trelawney. Vielleicht kommt er ja doch früher als erwartet nach Hause.«
Als Sir Orlando bei seinem Eintreffen erfuhr, dass Dr. Fauconer bereits seit Stunden auf ihn wartete, zögerte er einen Moment, ihn zu empfangen. Es war das erste Mal, dass er sich nicht freute, den Priester zu sehen. Doch er besann sich schnell auf seine freundschaftlichen Pflichten und begab sich in sein Studierzimmer, wo er seinen Gast auf einem Stuhl sitzend vorfand. Jeremys Augen glänzten aufgeregt, fast fiebrig.
»Pater, ich verstehe Eure Bestürzung über das Urteil, aber …«, setzte Trelawney voller Unbehagen an, verstummte aber, als er den Priester quecksilbrig wie einen kleinen Jungen von seinem Stuhl springen und ihm entgegeneilen sah.
»Mylord, ich möchte Euch bitten, Euch das hier anzusehen.«
Verwundert nahm Sir Orlando die beiden Blättchen Papier entgegen und studierte sie. Seine Stirn legte sich in tiefe Falten. »Wo habt Ihr das her?«, fragte er, auf die zweite Nachricht deutend.
»Aus Sir John Deanes Schreibstube.«
Trelawneys Augen wurden groß. »Wie seid Ihr daran gekommen? Ihr seid doch nicht etwa … Nein, sagt nichts, ich will es gar nicht wissen. Habt Ihr denn völlig den Verstand verloren?« Es dauerte einige Augenblicke, bis sich der Richter beruhigt hatte. Dann ließ er sich betroffen auf einen Stuhl sinken. »Bei Christi Blut, ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht. Ihr hattet Recht. Es gab eine dritte Person. Euer Ire ist tatsächlich unschuldig.«
Jeremy ließ ihm keine Zeit, diese schwerwiegende Erkenntnis zu verdauen. »Sir, ich weiß jetzt, wie wir den Mörder entlarven können«, verkündete er siegessicher. »Aber dazu müsst Ihr mir Zugang zu den Prozessakten des Jahres verschaffen, in dem Deane Lord Mayor war, und zwar noch heute.«
»Wie stellt Ihr Euch das vor? Es ist
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