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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Frau mit anhaltender Neugier. Ihr blasses Gesicht und ihr unruhiger Blick sprachen Bände. Ein seltsames Geschöpf, diese Lady St. Clair, eine Dame von edler Herkunft, zumindest väterlicherseits – über die französische Familie der Mutter wusste er nichts. Der Earl of Caversham war eng mit den Villiers verwandt und damit sowohl mit dem Herzog von Buckingham als auch mit jener anderen Mätresse des Königs, Lady Castlemaine. Dass sich eine Dame ihres Standes regelmäßig in das Haus eines Handwerkers begab, war schon ungewöhnlich genug, aber dass sie sich so offensichtlich um einen irischen Herumtreiber und Tagelöhner, einen ehemaligen Söldner, dem Niedrigsten vom Niedrigen, sorgte, war ihm ein unlösbares Rätsel.
    Die Kutsche verlor an Geschwindigkeit, ein Zeichen, dass sie sich dem Tyburnhügel näherten. Die Schaulustigen machten den Ankömmlingen nur widerwillig Platz, und bald bewegte sich das Gefährt nur noch im Schritttempo vorwärts. Mit klopfendem Herzen sah Amoret aus dem Fenster, konnte aber nicht einmal den Galgen ausmachen, so dicht drängten sich die Menschen um die Hinrichtungsstätte. Endlich gelangten sie so weit nach vorne, dass sie die königliche Garde erkennen konnten, die Charles mit dem Gnadenerlass vorausgeschickt hatte. Und dann war auch der gefürchtete dreibeinige Galgen zu sehen. Seine Querbalken waren leer. Darunter stand einer der Karren, auf dem die Verurteilten hergebracht worden waren und auf dessen Ladefläche sie nun mit dem Strick um den Hals warteten, dass das Zugpferd unter der Peitsche des Henkers mit einem Ruck anziehen und sie in der Luft baumeln lassen würde.
    Jeremy legte beruhigend die Hand auf Amorets Arm. »Die Garde ist noch rechtzeitig gekommen. Sicher haben die Verurteilten eine lange Rede gehalten, um die Hinrichtung hinauszuzögern. Wartet hier! Ich werde ihn holen.«
    »Einen Moment, Doktor«, rief Trelawney und drückte Jeremy einige Münzen in die Hand. »Das werdet Ihr brauchen«, erklärte er mit einem warmen Lächeln.
    Der Jesuit dankte ihm und drängte sich dann durch die Menge zum Galgen vor. Die Garde wendete gerade ihre Pferde, da ihr Auftrag erledigt war, und entfernte sich. Jeremy trat an den Karren und sah zu Breandán auf, der zwischen seinen Leidensgenossen stand, reglos, die Augen geschlossen, als habe er noch nicht wirklich begriffen, dass er begnadigt war. Jack Ketch kletterte auf die Ladefläche, zerschnitt seine Handfesseln und streifte ihm die Schlinge über den Kopf, deren Ende schon am Querbalken des Galgens befestigt war. »Hast verdammtes Schwein gehabt, Lumpenkerl«, spottete der Scharfrichter, dessen Stimme vom ausgiebigen Alkoholgenuss unsicher geworden war. Und als sich Breandán daraufhin noch immer nicht rührte, ergriff Jeremy seine Hand und zog ihn vom Karren herunter.
    »Komm, mein Junge, es ist vorbei«, sagte er sanft.
    »Seine Kleider gehören mir!«, brummte Ketch und zupfte Breandán am Ärmel. Angewidert riss sich der Ire von ihm los.
    »Hier, nehmt das stattdessen.« Jeremy gab dem Henker das Geld des Richters und führte Breandán fort. Die Menge um sie herum jubelte. Sie gönnte dem jungen Mann die Begnadigung und überschüttete ihn mit Glückwünschen.
    Breandán wandte dem Priester beschämt das Gesicht zu und gestand: »Ich habe Euch verflucht. Ich dachte, Ihr hättet mich im Stich gelassen.«
    »Das kann ich Euch nicht verdenken. Ihr habt das Schlimmste durchgemacht, was ein Mensch erleben kann.«
    Sie hatten Mühe, zwischen den Leuten hindurch, die die Hände nach dem Iren ausstreckten, um ihn zu berühren, zur Kutsche des Richters zu gelangen. Amoret öffnete ihnen den Schlag und zog Breandán in ihre Arme. Keiner von ihnen brachte ein Wort heraus. Für einen langen Moment waren sie ganz allein auf der Welt. Nichts kümmerte sie mehr, auch nicht die peinlich berührten Blicke Trelawneys, den dieses unerwartete Schauspiel in höchste Verlegenheit stürzte. In seinen Kreisen verkniff man sich derartige Gefühlsausbrüche und tadelte schon die Kinder, wenn sie sich dazu hinreißen ließen. Schließlich geziemte es sich nicht, sich wie das gemeine Volk aufzuführen, das weder Sitte noch Anstand kannte. Sir Orlando versuchte, den Blick von der leidenschaftlichen Umarmung abzuwenden, konnte es aber nicht. Er hatte noch nie zwei Menschen so glücklich gesehen. Und plötzlich wurde er sich schmerzhaft seiner eigenen Einsamkeit bewusst, in der er seit dem Tod seiner Frau lebte. Er gestand es nicht gerne, aber beim

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